Die Touristin und der Psychopathen-Lehrer – Cate Shortlands «Berlin Syndrome»

Der Psychothriller der australischen Regisseurin Cate Shortland ist nichts für schwache Nerven. Eine Touristin in Berlin wird zum Opfer eines psychopathischen Lehrers. Nicht verpassen!

Die Touristin Clare (Teresa Palmer) ist fasziniert von der Architektur der DDR. Trotzdem fühlt sie sich etwas einsam in der fremden, unterdessen bundesrepublikanischen Grossstadt Berlin, und so wird sie zur leichten Beute für den Sport- und Englischlehrer Andi (Max Riemelt). Andi sperrt sie bei sich zu Hause ein – oder ist alles doch nur ein Versehen?

Clare  will raus, aber Andi hat andere Pläne für die australische Touristin. (Bild: zVg)

Clare will raus, aber Andi hat andere Pläne für die australische Touristin. (Bild: zVg)

Cate Shortland, Regisseurin von «Lore» und «Somersault», überzeugt auch mit ihrem Drittling – ihrem vielleicht besten Film überhaupt. Wie schon in «Lore» spielt auch hier die deutsche Geschichte eine wichtige Rolle, denn während Andi die DDR ablehnt, hat sein Vater durchaus auch positive Gefühle gegenüber der alten Heimat. Andis Mutter ist abwesend; sein negatives Bild der DDR spiegelt sich in seinem gebrochenen Verhältnis zu seiner Umwelt, vor allem natürlich zu den Frauen. Doch auch mit seinen männlichen Kollegen kann Andi nichts anfangen: bezieht sich der Titel «Berlin Syndrome» auf das früher geteilte, schizophrene Berlin, oder auf das sogenannte Stockholm-Syndrom? Obwohl Andi die DDR ablehnt, ist er in seinen Methoden dem Unrechtsstaat DDR ganz nahe. Bezeichnenderweise ist er Lehrer, also (zumindest im weiteren Sinne) Staatsangestellter.

Er missbraucht die Macht zu seinen Gunsten, was sich auch in seinem Umgang mit seinen Schülerinnen zeigt. Bezeichnend vielleicht sein Anmachspruch er verwechselt dabei bewusst «complicate» (verkomplizieren) mit «contemplate» [1] – das ist vielleicht ein genialer Trick, um anglophone Damen mit seinem ausländischen, ach so authentischen Charme einzuseifen, andererseits ist es aber auch wirklich so, dass er unfähig ist, sein Leben zu reflektieren und zu revidieren. Zu stark ist er gefangen in seinen wahnhaften Vorstellungen.

Cate Shortland legt hier einen fesselnden Psycho-Thriller vor, der auf dem Roman von Melanie Joosten basiert. Auch im Film kommt dabei zweifellos auch ein spezifisch weiblicher Blick auf die Sexualität zum Ausdruck, der «Berlin Syndrome» auch zu einem streckenweise sehr erotischen Film macht. Mit Cate Shortland ist weiterhin zu rechnen!

«Berlin Syndrome». Australien 2017. Regie: Cate Shortland. Mit Teresa Palmer, Max Riemelt, Matthias Habich, Emma Bading, Thuso Lekwape, Elmira Bahrami, Kristina Kostiv u.a. Premiere am 4. August 2017 im Basler Filmclub B-Movie, www.b-movie.ch

[1] http://dict.leo.org/german-english/contemplate


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