Liebe ohne Grenzen – Rohena Geras «Sir»

Rohena Geras erster Spielfilm ist ein Werk, das eine Liebesgeschichte zwischen den Klassen erzählt. Erst durch die räumliche Distanz kann die Liebe ihren Weg finden – vielleicht.

Der reiche Ashwin (Vivek Gomber) hat lange in den USA gelebt. Nun ist er zurück in Indien und arbeitet für seinen Vater. Er lebt allein, und vor dies bleibt auch so: die Hochzeit mit einer Freundin der Familie fällt ins Wasser. Aber lebt Ashwin wirklich allein? Nicht wirklich – denn seine Bedienstete Ratna (Tillotama Shome) lebt in denselben vier Wänden und ist – fast immer – für ihn da. Er erlaubt ihr aber, bei einem Schneidermeister in die Lehre zu gehen. Die früh verwitwete, aber noch blutjunge Ratna hat nämlich ihre Träume nicht aufgegeben…

Ashwin und Ratna, seine Bedienstete. (Bild: zVg)

Rohena Geras erster Spielfilm ist ein schön gemachter, einfühlsamer Film – für Bollywood-Freaks sicherlich mit zu wenig Musik, für alle anderen aber auf jeden Fall sehenswert. Soziale Schicht ist ein Thema, das auch die Menschen im Westen etwas angeht – mehr denn je, wenn man sich überlegt, dass in Basel, der reichsten Stadt der Schweiz, jede Menge arme Menschen ohne jegliche Aufstiegschancen leben. Klasse ist natürlich kein sexy Thema, und vielleicht hat Jacobin-Herausgeber Bhaskar Sunkara auch recht, wenn er sagt: «Den Linken reicht die Armut nicht.» [1]

Während ethnisch-kulturelle Unterschiede immer noch als etwas Schönes und Gutes kommodifiziert werden können und verkauft werden können (Axe hat ein Duschgel namens Africa im Sortiment…), dann ist dies bei der Klasse nicht der Fall, denn hier geht es letztlich immer um eines: um die Armut der anderen. Von dieser wollen wir lieber nichts hören – und wenn, dann doch lieber über die Armut in Indien oder Brasilien. Vielleicht ist es deshalb auch so, dass in Rohena Geras Film das Kastenwesen sowie andere religiös begründete Unterschiede keine Rolle spielen: es geht nur um die Armut. Das macht den Film besser verständlich für ein internationales Publikum, oder anders ausgedrückt: es wird so auch für ein westliches Publikum schwieriger, sich vom Thema des Films zu distanzieren. Liebe, Reichtum und Armut gibt es nämlich überall. Der deutsche Titel «Die Schneiderin der Träume» ist – dies noch zum Schluss – irreführend; gut, dass Xenix (der CH-Verleiher) darauf verzichtet! «Sir» ist nämlich ein Liebesfilm ganz ohne Kitsch.

«Sir». Indien/Frankreich 2018. Regie: Rohena Gera. Mit Geetanjali Kulkarni, Ahmareen Amjun, Vivek Gomber u.a. Deutschschweizer Kinostart am 8. November 2018.

[1] https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/der-linken-reicht-die-armut-nicht/story/10790051


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