Der Apfel und der Wurm – Tanja Hammel zu den Apfel-Abstimmungs-Plakaten

Anlässlich der bevorstehenden Abstimmung zur Einwanderungspolitik und angesichts der in ihrem Vorfeld verwendeten Bildsprache der Werbeplakate lädt uns Tanja Hammel ein auf einen Streifzug durch die Geschichte einer der ältesten Früchte.

Wikicommons

(Foto: Wikicommons)

Von Tanja Hammel

Von Strassen und Häuserfassaden ist er momentan nicht wegzudenken. Wo man hinblickt, er ist nicht weit, der Apfelbaum auf den Abstimmungsplakaten. Ob er mit seinen Wurzeln die Schweiz einnimmt oder gefällt wird – er ist zur Ikone geworden.

Der ursprünglich aus Zentralasien, genauer, aus dem heutigen Kasachstan, stammende Apfel ist die älteste kultivierte Frucht der Welt. Verkohlte Dörrapfelschnitze gehören zu archäologischen Funden in prähistorischen Siedlungen. Pharao Ramses II., die Pfahlbauern, die Kelten, Germanen, Römer und Griechen kultivierten und assen die süsse Frucht ebenfalls. Der Mensch mag Süsses. Nur ist die Süsse in der Natur nur in Honig und reifen Früchten zu finden. Äpfel sind gross, transportierbar und halten sich lange, ausserdem passen sie sich gut an unterschiedliche Umgebungen an, was ideal ist für die Verbreitung der beliebtesten Frucht in der Schweiz. Über die Handlungswege kam der Apfel in die Schweiz. Ein Obstbaumverzeichnis aus dem Jahr 813 zeugt davon, dass Karl der Grosse insbesondere Apfelbäume anpflanzen liess. Im Mittelalter war der Apfel in Klöstern weit verbreitet, denn der Apfel galt als Heilmittel (die Redensart: «An apple a day keeps the doctor away» zeugt noch heute davon). Der Reichsapfel unterstreicht von die politische und weltliche Macht des Apfels, der zum Symbol für Fruchtbarkeit und Liebe, Schönheit, Versuchung und Sünde, schlicht für alles Lebensnotwendige wurde.

Äpfel auf Köpfen, in Mägen und auf Plakaten

Herr und Frau Schweizer essen pro Jahr 15,6 Kilogramm Äpfel. Die verspiesenen Apfelsorten sind Resultate von Kreuzungen. Lange dachte man, der Kulturapfel würde vom noch heute wild vorkommenden Holzapfel abstammen, aber neuere gentechnische Untersuchungen zeigen, dass es sich dabei um eine Einkreuzung des asiatischen Wildapfels mit dem Kaukasusapfel handelt. Die beliebteste Frucht ist spätestens 1470 mit Hans Schribers Werk «Das Weisse Buch von Sarnen», in dem der Tellsche Apfelschuss dokumentiert wurde, zu dem geworden, was wir heute denken und fühlen sollen, wenn wir die Apfelbäume auf den Plakaten sehen. Die mittelalterlichen Gottesurteile in der Sage von Wilhelm Tell dienten den Verfassern dazu, die Unabhängigkeit der Alten Eidgenossenschaft von den Habsburgern als von höchster Instanz abgesegnet zu rechtfertigen. Seit Tell gehört der Apfel zum Schweizer Kulturgut, und ist wie die Geranien aus Südafrika adoptiert worden.

Economiesuisse hat das Symbol des Apfelbaumes zuerst verwendet, woraufhin die SVP mit den bedrohenden Wurzeln konterte und Economiesuisse Hodlers Holzfäller ins Spiel brachte. Betrachtet man das SVP-Plakat aus dieser Perspektive, fragt man sich, was will die SVP uns sagen? Sollen wir Angst vor invasiven Pflanzen haben, die durch Menschen aus dem Ausland mitgebracht werden und die sich bei uns verbreiten, wie eben auch der Apfelbaum? Sollen wir Angst haben vor Migrantinnen und Migranten, die sich so gut integrieren wie der Apfelbaum, die hier ihre Wurzeln schlagen und nicht mehr wegzudenken sind? Jeder darf sich selbst einen Reim auf die Plakate machen. Zum Zankapfel sind sie auf alle Fälle geworden.


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