gesichtet #71: Hinterhof-Stimmung am Cedernweg
Von Michel Schultheiss
Das finstere Bild mag etwas anderes vermuten lassen, doch hier duftet es stets nach frisch gebackenem Brot. Eine versteckte Bäckerei verwöhnt zumindest den Geruchssinn des Passanten, der den dunklen Schlund betritt. Die Gasse, welche sich durch den Mehrfamilienhäuser zwischen der Riehen- und Rosentalstrasse zwängt, ist nicht sonderlich belebt. Ein leer stehender Kaffeemaschinenladen gähnt an der Mündung des Durchgangs dürfte wohl nicht für sonderlich viel Rummel sorgen. Wie so manche städtischen Trampelpfade hat auch dieser Durchschlupf einen Namen: Man kennt ihn als Cedernweg. Dabei ist das Basler Gässlein noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen: Google Maps findet die kleine Passage nicht.
Wer ihn heute betrachtet, wird sich fragen, wie der Cedernweg zu seinem «bäumigen» Namen kann. Wie das Nachschlagwerk «Basler Strassennamen» von André Salvisberg verrät, soll sich hier mal ein Grundstück mit Zedern befunden haben. Auch wenn von den imposanten Kieferngewächsen nicht mehr viel zu sehen: Denkbar ist es – schliesslich befindet sich gleich gegenüber der Landsitz Sandgrube aus dem 18. Jahrhundert mit seinen Pavillons, der Orangerie sowie einem französischen und englischen Garten.
Als Kontrast zu diesem vornehmen Anwesen ist gleich auf der anderen Strassenseite wohl eher ein Hinterhof-Ambiente angesagt: Der Cedernweg ist eine jener Winkel der Stadt, die nicht herausgeputzt erscheinen wollen. Wie etwa das Rheinbord unter der Dreirosenbrücke, das Theatergässlein, das Mülhauserweglein oder das Steinenbachgässlein ist auch diese Passage in der Nähe des Badischen Bahnhofs einer jener etwas verlassenen Orte, die eine magische Anziehung auf spezielle Kunstwerke haben.
In diesem Fall ist es ein Paste-up des StreetArtisten Bustart, welches eine Wand schmückt. Auch wenn der Mann hinter dem Bubenkopf inzwischen vor allem in Amsterdam tätig ist, sind einige seiner Werke noch immer in Basel zu sehen – so etwa ein Strassenkampf beim Schlachthof oder die Konterfeis von Ernst Beyeler (nicht zu verwechseln mit dem Graffiti-Porträt von DEST) und Jean Tinguely, die noch immer in der Carambolage zu sehen sind. Das Kind, welches an die Fassade gekleistert wurde, ist eines der häufigsten Motive von Bustart. Wie er einmal in einem Interview beim Kulturblog «Schlaglicht» erklärte, mache er mit diesem Knaben «knallhart Propaganda für etwas, das es schlussendlich nicht gibt». Damit wolle er auf die permanente Werbe-Berieselung im öffentlichen Raum anspielen. Nicht umsonst ist ein Ort wie der Cedernweg vielleicht die geeignete Kulisse für das Werk: Es ist ein Weg mitten in der Stadt, der aber oft übersehen wird. Obschon er sich gleich gegenüber von einem McDonald’s befindet, gibt’s hier nichts zu bewerben. Solche in Brache liegenden Fassaden sind womöglich einer Art Funkloch der Reizüberflutung.
- Jugend ohne Perspektiven – Germinal Roaux’ «Left Foot Right Foot»
- Jean Paul «Luftschiffer» – Ein Rezensionsspiel von Dominik Riedo
Ein Update: Mehr Infos zur Geschichte des Cedernwegs sind in diesem Artikel vom gleichen Autoren zu finden http://www.tageswoche.ch/de/2017_4/basel/741074/