Bilder, die in van Goghs Stil sprechen – Dorota Kobielas «Loving Vincent»
Eine polnisch-britische Koproduktion, die Neuland betritt: «Loving Vincent» ist der erste Film, der (mal abgesehen von Schwarzweiss-Intermezzi) voll und ganz von Hand gemalt wurde. Und zwar im Stil von Vincent van Gogh. Hingehen und staunen!
Vincent van Gogh hat, wie wir alle wissen, zu Lebzeiten nur ein einziges Bild verkauft. Der grosse Wegbereiter der Moderne war beruflich gesehen ein Versager, seine Umwelt liess ihn in eine Klinik einweisen. Dort verliebt er sich in die Tochter des Direktors. Doch dieser will seinen Vincent für sich allein: er befürchtet, dass Vincent vor lauter Marguerite seine Passion, das Malen, vergisst. Nach Vincents Tod macht sich Armand, Sohn eines Freundes des Künstlers, auf nach Südfrankreich, wo er Theo van Gogh den letzten Brief seines Bruders bringen soll…
Zeichentrickfilm war nie nur Kinderkram – das war früher so und ist auch heute noch so. Doch braucht es den Animationsfilm überhaupt noch in den Zeiten von CGI, wo ja eigentlich jeder Actionfilm ein Trickfilm ist? Es ist sicher bezeichnend, dass der Zeichentrickfilm – nach einer kurzen Verirrung in Form von naturalistisch anmutenden computergenerierten Zeichentrickfilmen – sich nun wieder stärker dem Nichtnaturalistischen zuwendet. Dies ist bei den grossen computeranimierten Kisten der Fall, aber noch mehr vielleicht bei alternativen Animationsfilmen für Erwachsene wie etwa «Tehran Taboo», «Waltz with Bashir», «A Scanner Darkly» oder nun auch «Loving Vincent».
Wobei «Loving Vincent» natürlich noch einen weiteren Schritt zurückgeht, indem der Film des polnisch-britischen Regieduos Dorota Kobiela und Hugh Welchman aus echten, traditionellen Bildern besteht und keineswegs aus computergenerierten Elementen. Das Bild ist sicher im Zentrum von «Loving Vincent», aber auch inhaltlich vermag der Film zu überzeugen. Dies gerade weil Kobiela und Welchman nicht versuchen, van Gogh selber sprechen zu lassen: es sind die Bilder, die in seinem Stil sprechen, und die Menschen nach seinem Tod, die über ihn reden. Ein Biopic der anderen (und eben besseren) Art: hier wird nicht krampfhaft versucht, in wenig inspirierten Bildern das Leben eines grossen Künstlers nachzuerzählen. Stattdessen besticht «Loving Vincent» mit einer kunstvollen Annäherung an einen grossen Künstler, der sein Leben als Aussenseiter verbringen musste und schliesslich nur noch einen Ausweg sah.
«Loving Vincent». UK/Polen 2017. Regie: Dorota Kobiela, Hugh Welchman. Mit Saoirse Ronan, Aidan Turner, Douglas Booth, Holly Earl, Robin Hodges, John Sessions, Helen McCrory u.a. Deutschschweizer Kinostart am 28. Dezember 2017.
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