«The blues is alive and well» – Buddy Guy an der Baloise Session

Beth Hart und Buddy Guy bescherten der Baloise Session einen Blues-Abend, der sich gewaschen hat. 

Daniel Strub, schwarzeliste.ch

Den Anfang macht Beth Hart, die ihr Publikum 2018 gleich mit zwei Alben beglückte. Sackstark, als sie mit schöner Überleitung «Love Gangster» ankündet. Man nimmt ihr ab, dass sie den in diesem Song verewigten Leonard Cohen nach wie vor vermisst. Mit nötigem Druck und unvermeidlicher Melancholie bringt sie die Nummer rüber.

Leider setzt sie sich dann ans Keyboard. Nach einer völlig überflüssigen Einleitung à la: «Ich schrieb diesen Song für meinen Mann, der 57 ist und viel zu alt, um für die US-Armee in den Krieg zu ziehen, aber ich hab mir trotzdem vorgestellt, wie es wäre, wenn ich Schatzibutzi in den Krieg ziehen lassen müsste. Dieses Gefühl habe ich mir gemerkt und es musikalisch umgesetzt» beweist Beth Hart, dass unter ihrem Blues eine gesalzene Prise Kuschelrock mit Musenalp-Express-Lyrik schlummert. Dasselbe gilt für die Nummer «Take it easy on me». Wie zur Entschuldigung spielt sie sofort ein Tom-Waits-Cover («Chocolate Jesus»). Sofort ist sie wieder da, die Ambivalenz, das Zerrissene und Zerschlissene ihrer Musik, ihre grandiosen, teils echt schrägen Harmonien.

Auftritt Buddy Guy

Und dann kam endlich Buddy Guy, für den man sich keine Adjektive ausdenken sollte. Als er, Stadion-Speaker-mässig angekündigt von seinem Keyboarder, auf die Bühne geht, sprüht er ab der ersten Nummer vor Spielfreude. Bei «Hoochie coochie man», seiner Hommage an seinen Förderer um Zechkumpel Muddy Waters, brennt die Halle.

Buddy Guy blödelt mit der Stratocaster rum, reibt sie am Hemd, bespielt sie mit schönem Hüftschwung von hinten und vorne oder reibt sie am Allerwertesten, spielt auf ihr mit Schweisshandtuch und Drumstick. Seiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es sind aber keine billigen Effekte. Eher denkt man, er mache es, um das zwischendurch etwas gar routiniert mitnickende Publikum zu elektrisieren.

Locker auf Hochtouren gebracht

Er verhehlt nicht, dass er nicht immer ganz zufrieden ist mit dem Publikum. Bei «I just wanna make love to you» quittiert er den Anfangs etwas unterkühlten Publikumsgesang mit: «Shiiiit.» Aber danach hater es eben auch locker drauf, die Leute auf Hochtouren zu bringen.

Zu schweigen von Keyboarder Marty Sammon, der dem Altmeister gehörig einheizt und von diesem auch immer wieder Raum für Einlagen bekommt. Überhaupt auffallend: wie nahtlos Showman Buddy Guy seiner Band Platz macht, damit diese mit brillieren kann. Auch Ric Hall an der Gitarre.

Höhepunkte des Abends: «Five long years», «Who’s making love to your old lady» und «Cognac» vom aktuellen Album «The blues is alive and well». Und die letzte Nummer («Someone Else Is Steppin‘ In»).

Eine Legende geht spazieren

Zu dieser Nummer spazottelte Buddy Guy durch die Halle. So fiel erst so richtig auf, wie klein er ist, gemessen an der geballten Musikgeschichte, die er geschrieben hat und für die er steht. Auch mit Adleraugen ist seine Schiebermütze nur ganz selten im Publikum zu entdecken.

Doch plötzlich entsteht Gedränge direkt vorne dran am eigenen Tisch. Ja, warum sind denn die Leute so aus dem Häuschen? Nichts wie aufgestanden – und schon steht man ihm gegenüber. Er grinst und geniesst das Bad in der Menge, schäkert rum und spielt mit eigenen und fremden Fingern Gitarre.

Einen grossartigeren, cooleren Güggel hat man selten gesehen und gehört.

2 Gedanken zu “«The blues is alive and well» – Buddy Guy an der Baloise Session

  1. Bernd Späth

    Eine dieser living legends, die man nicht genug preisen kann für ihre musikalische Leistung. Guy wirkt bescheiden, und dies auch in seiner Musik: keine aufschneiderischen Effekte, sondern bestes down-to-earth Gitarrenspiel, unverwechselbar mit jeder Note, nicht anders als Clapton oder Jeff Beck. Er hat nicht nur Bluesgeschichte geschrieben, er ist es selber. Keep going, Buddy!

    Und danke für diesen klugen Report.

  2. Andrzej Sincow

    noch schöner als Leser zu finden ist nur noch: Buddy Guy sehen. Ich stimme Ihrem Kommentar 1:1 zu. Nicht anders als Clapton und Jeff Beck, ja – aber m. E. noch eine Generation charismatischer und ansteckender. Unglaublich halt. REAL DEAL.


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