Metafilmische Metamorphosen – Quentin Tarantinos «Once Upon a Time in Hollywood»
Er ist zurück – mit seinem neunten und angeblich vorletzten Film. Auch diesmal reist er zurück in die allerdings weniger ferne Vergangenheit. Tarantino zeigt uns ein Hollywood der späten 60er-Jahre, eine Hommage, die es in sich hat.
Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und Cliff Booth (Brad Pitt) sind beste Freunde: Rick ist ein bekannter TV-Star, aber eher auf dem absteigenden Ast. Cliff ist sein Stuntman. Manager Marvin Schwarz (Al Pacino) will seinem Klienten einen Job in Italien vermitteln – doch in Ricks Weltbild sind italienische Western das Allerletzte… so wird vorerst nichts daraus. Später lernt Cliff einen Teil der sogenannten «Manson Family» kennen. Diese wohnt nämlich auf der «Spahn Ranch», auf der Cliff früher als Stuntman tätig war…
Schon immer war Quentin Tarantino ein Meta-Regisseur: Film und Fernsehen (und last but not least: die Musik) waren schon immer ein Thema seiner Filme, angefangen mit «Reservoir Dogs» und «Pulp Fiction». Dies ist auch hier nicht anders – und trotzdem ist es sein erster Film, der sich voll und ganz dem Film- und TV-Business widmet, der ganz in Hollywood spielt.
Wer nun aber ein naturalistisches Drama erwartet, sitzt natürlich (zumindest teilweise!) im falschen Film – Quentin Tarantino ist dazu zu sehr Fan der B-Movies, die er immer wieder zitiert. «Inglorious Basterds» war ja denn auch inspiriert von einem mehr oder weniger (auf Englisch) gleichnamigen italienischen Film («The Inglorious Bastards» bzw. «Quel maledetto treno blindato»). «Jackie Brown» (seine einzige Literaturverfilmung) hat nach «Pulp Fiction» einen Regisseur gezeigt, der auch in eine etwas andere, literarischere, aber zugleich naturalistischere Richtung ging.
Diesen Eindruck hat Tarantino aber immer wieder korrigiert: sehr stark natürlich mit «Kill Bill», einem Zweiteiler, der gezeigt hat, in welche Richtung Tarantinos Filme der Zukunft gehen sollten: «Death Proof», «Inglourious Basterds», «Django Unchained» und zuletzt natürlich «The Hateful Eight». Und vergessen wir nicht: nach seinem Grosserfolg «Pulp Fiction» widmete sich Tarantino zusammen mit Allison Anders, Robert Rodriguez und anderen Kollegen einem Episodenfilm («Four Rooms»), zu dem er einen der besten Teile beisteuerte: «The Man from Hollywood»…
Sein vorletzter Film? Dies wäre schade. Denn auch wenn nicht wenige cinephile Geister den seriöseren Quentin von «Jackie Brown» den «Inglourious Basterds» und «Django Unchained» vorziehen mögen: Quentin Tarantino ist paradoxerweise doch eben ein Original. Schliesslich ist er ja nicht nur ein Meister des Erfindens (seine Dialoge – diesmal etwas weniger quentinesk – sind eben doch seine!), sondern auch ein Meister des Zitierens, des Remixens… und wo bleibt denn der Sinn?
Bei Quentin ist der Sinn eben das Zitieren selbst, das Reden über Film. Dies ist sein Sinn. Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er den ganzen Tag zuhause rumhängt, Marihuana raucht und sich einen schlechten Film nach dem anderen reinzieht. Der Sinn ist es, sich zu amüsieren.
Und trotzdem zeigt Quentin Tarantino immer auch Teile des Lebens, die wir vielleicht lieber vergessen wollen: etwa den Rassismus, der die amerikanische Geschichte so geprägt hat und immer noch prägt. Er mag zwar ein hedonistischer Regisseur sein; seine Filme sind aber eben immer auch eine Hommage an das Leben selbst.
Dazu gehören auch weniger erfreuliche Aspekte. Charlie Manson war denn auch sicherlich Rechtsextremist, und nicht nur das Hakenkreuz auf der Stirn verbindet ihn mit der NS-Ideologie: er träumte von einer nach einem Rassenkrieg «gesäuberten» und von ihm regierten USA, mit den AfroamerikanerInnen als Sklaven.
Aber nicht vergessen: schon der Titel verweist nicht nur auf Sergio Leones berühmten Western, sondern auch auf Robert Rodriguez’ ultratrashigen Film «Once Upon a Time in Mexico»… und Quentin Tarantino nennt den Texaner (der u.a. bei «Kill Bill» beteiligt war) seinen Bruder.
«Once Upon a Time … in Hollywood». USA/UK 2019. Regie: Quentin Tarantino. Mit Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Al Pacino, Dakota Fanning, Zoe Bell, Rafal Zawierucha, Lorenza Izzo, Margot Robbie u.a. Deutschschweizer Kinostart am 15. August 2019.
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