gesichtet #160: Ein Hai an der «gesperrten» Strasse
Von Michel Schultheiss
Ein Autofahrer hupt entnervt. Schliesslich müht sich der Lieferwagen vor ihm damit ab, kurz vor der Abschrankung einzufädeln. Eine Rentnerin zwängt sich im schmalen Trottoirstreifen mit dem Rollator an einem Passanten vorbei. Und da wäre noch der Lenker, der den Velofahrer beinahe übersehen hat. Schliesslich hat er nicht damit gerechnet, dass sich dieser von der anderen Seite her auch noch in verengte Strasse einbiegt.
Solche Szenen sind momentan an der Sperrstrasse in Basel gang und gäbe. Schliesslich geht’s hier wahrlich sperrig zu und her. Alle zwängen sich durch das Nadelöhr zwischen Baustelle und Häuserzeile.
Unfreiwilligerweise erhält der Strassenname dabei eine neue Brisanz. Laut Namenbuch Basel-Stadt verweist er auf das Sperrgeld, also die Einlassgebühr beim einstigen Kleinbasler Bläsitor. Längst haben Baustellenschranken die alten Stadttore abgelöst. Statt Gebühren gibt’s ein Gewirr beim schmalen Durchgang.
Erinnern wir uns: Bis im Februar 2020 stand hier noch ein Haus mit bunten Fenstern. Dem Gebäude ging es wie so manchem aus der Rubrik «gesichtet». Man denke etwa an das Pomeranzengässlein, das Heim im Autal, die Villa Carmen oder die Drahtzugschanze. So ist auch der Altbau an der Sperrstrasse, der einst die «kunsthallekleinbasel» beherbergte, längst Geschichte.
Er weicht dem «Green City House». Dabei handelt es sich um ein Holzsystembau mit Eigentumswohnungen. Nach einigen Monaten Verzögerung nahmen die Bauarbeiten dieses Jahr ihren Anfang. Dies, nachdem im Winter der letzte Mieter seine Zügelkisten gepackt hatte. Mit dem Abbruch im Frühling bot sich in der «Zahnlücke» ein unerwartetes Bild. An der Fassade des Nachbarshauses lässt sich nun ein riesiges Wandbild erspähen. Es ist direkt in den Umriss des abgerissenen Hauses eingepasst. «Geld zurück» ist darauf zu lesen.
Zudem sperrt an der Sperrstrasse nun ein Hai seinen Rachen auf. Wie das Bild zustande kam und was es damit auf sich hat, ist nicht bekannt. Womöglich ist es eine Hommage an den kleinen Haifisch, der einst die Parterrefenster des Altbaus bewachte. Wer weiss: Vielleicht mahnt das jetzige Bild als provisorisches Denkmal an den abgerissenen Altbau und die Mietparteien, die ihn verlassen mussten.
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