gesichtet #162: Ärger über Kanalwasser, Velos und Handkarren im Teichgässlein

Von Michel Schultheiss

Lieferanteneingang, Lastwagen und Veloabstellplätze. Das Teichgässlein fällt heute nicht mehr gross auf. Gleich neben der Clarapost endet es in einer Sackgasse. Einst gab es dort ein Kino und Unmut über allerlei Gerümpel vor dessen Notausgang. Und noch früher war dieser Weg ein Gewässer. Dazu kommen wir aber später. Nicht immer war das Teichgässlein eine Sackgasse. Hinter der Liegenschaft geht’s nämlich weiter.

Die heute zerstückelte Gasse folgt dem einstigen Verlauf eines Kanals des Riehenteichs. Der eine Teil des Teichgässlein endet als Sackgasse hinter dem Claraplatz (Foto: smi).

Wer via Claraplatz oder über die inoffizielle Mysligasse einen Schlenker um diesen Gebäuderiegel macht, wird fündig. Die Strasse gleich rechts vom Claramigros, die ins Rotlichtmilieu führt, ist ebenfalls als Teichgässlein ausgeschildert. Wie beim zweigeteilten Pfeffergässlein haben wir es hier mit einer Besonderheit unter den Basler Strassen zu tun. Das Teichgässlein gibt es ebenfalls in doppelter Ausführung.

Der andere Teil des Teichgässleins führt bei der Clara-Migros vorbei. (Foto: smi).

Nun, wie kam es dazu? Die Geschichte geht zurück ins Mittelalter. Im 13. Jahrhundert wurde der Riehenteich von der Wiese abgeleitet. Bei der «Schliessi» in den Langen Erlen zweigt er ab. Heute endet er bereits im Hirzbrunnenquartier. Seit 1923 führt sein Lauf beim Pumpwerk unterirdisch zurück in die Wiese. Früher bahnte der Riehenteich allerdings seinen Weg mitten durchs Kleinbasel. Der Teich und viele abgezweigten Nebenarme spielten eine wichtige Rolle für das Gewerbe. Schliesslich setzten die Kanäle mehr als ein Dutzend Mühlen, Schleifwerke und Sägereien in Bewegung.

Als noch Kanäle durchs Kleinbasel führten

Diese Handwerksbetriebe sind noch in manchen Strassennamen wie Bleiche-, Hammer– und Drahtzugstrasse sowie im Sägergässlein verewigt. Beim Rosental erinnert eine Riehenteichstrasse an den Kanal. Dort gab es einst einen Riehenteichweg, der entlang des Kanals vom heutigen Badischen Bahnhof in den Surinam führte.

Auch das Teichgässlein erinnert an das einstige Bachbett. Genauer genommen handelt es sich um es sich um einen Arm des Kanals, den Oberen Teich. Gegen Ende des 19. Jahrhundert kam die Diskussion auf, dieses stark verschmutzte Gewässer in den Untergrund zu verbannen. So kam es auch. Bis 1917 wurden die Kleinbasler Teiche sukzessive aufgehoben.

Ein Eindruck davon, wie es zu Zeiten des Riesenreichs ausgesehen hat, gibt uns ein Druck aus dem Jahr 1875. Dort ist das Untere Teichgässlein noch mit dem Kanal und der Blaueselmühle zu sehen. Auf einer Projektskizze des Baudepartements von 1876 ist der Teich ebenfalls eingezeichnet. Gleich zwischen dem heutigen Claramigros und dem Clarahuus bahnte sich das Wasser seinen Weg in Richtung Rhein. Bei der besagten Projektskizze ging es um die Überbrückung des Teichs. Tatsächlich wurde der Teich 1878 auf Wunsch der Anwohner schliesslich ganz überdeckt. Ein Foto von 1908 zeigt daher ein anderes Bild. Der Kanal im Unteren Teichgässlein ist zugedeckt, die Spuren des einstigen Verlaufs sind aber noch erkennbar.

Der Weg des einstigen Kanals war ursprünglich nicht zweigeteilt wie heute. Auf dem historischen Stadtplan von 1946 ist gut ersichtlich, wie die beiden Teichgässlein miteinander verbunden waren. Auch auf einer Skizze des Baudepartements von 1947 für die Planung von Veloständern ist das schön zu sehen. Das Teichgässlein endete also nicht beim Claragraben in einer Sackgasse, sondern führte nahtlos weiter in Richtung Ochsengasse.

Ein blockierter Kino-Notausgang

Hinterhofstimmung muss aber schon damals im Teichgässlein geherrscht haben. Die Betreiber Palace Cinema an der Unteren Rebgasse klagten über unzumutbare Zustände im Teichgässlein. Sie wandten sich 1947 an die Polizei. Im Teichgässlein mündete nämlich die Treppe des Kino-Notausgangs. «Immer und immer wieder müssen wir feststellen, dass die Nachbarn des Teichgässleins den Platz benützen, um ihre Handkarren einzustellen, dort Kisten und Plakatwände zu lagern und selbst den Schutt dort zu deponieren, den sie in ihrer eigenen Liegenschaft nicht wünschen», so die Verantwortlichen des Palace Cinema. Sie fürchteten, dass mit all die Wilddeponien und Falschparkierer den Notausgang blockieren könnten. Daher baten sie die Polizei um eine Verbotstafel – was diese dann genehmigte. Vermutlich war diese Tafel nicht lange im Einsatz. In den folgenden Jahren muss nämlich dieser Teil des Teichgässleins überbaut worden sein. Auf der Stadtkarte von 1955 ist die Verbindung vom Claragraben zur Unteren Rebgasse jedenfalls nicht mehr ersichtlich.

Schon 1961 Beschwerden über Velo-Chaos

Ärger über das Chaos im Teichgässlein gab es aber auch später, wenn auch auf der anderen Strassenseite. 1961 beanstandete der Wachtmeister vom Claraposten die vielen Velos vor der Migros. Die Drahtesel versperrten das Teichgässlein und die Untere Rebgasse. Wie der Wachtmeister festhielt, war das vor allem an Samstagen der Fall. Das Teichgässlein könne «kaum noch vom motorisierten Zubringerverkehr» befahren werden. Zudem äusserte er sich über die «Unsitte», das Velo auf dem Trottoir abzustellen. «Somit werden Fussgänger immer wieder gezwungen, das Trottoir in Richtung Untere Rebgasse zu verlassen, um bei den stationierten Fahrrädern vorbeizukommen». Er forderte daher Parkstreifen für die Velos. Diese zwei Beispiele aus dem Teichgässlein zeigen es schön: Die heutigen Klagen über wild abgestellte Fahrräder und illegale Abfalldeponien sind keineswegs neu.

 

 

Quellen (Staatsarchiv Basel-Stadt):

BD-REG 1 S 756 Teichgässlein, 1947-1962 (Serie)

Bild 4, 59. Unteres Teichgaesslein und Blaueselmühle 1875.

NEG 4087. Teichgässlein mit Blaueselmühle.

PD-REG 12g 20 (1) 2 Teichgässlein, -1965 (Dossier)

Planarchiv I 6,32 Project für die Ueberbrückung des Teichgässlein, 1876 (Dokument)

Literatur:

Kreis, Georg: 150 Jahre im Dienst der Stadt. Zur Geschichte des Tiefbauamts Basel-Stadt. Basel 2015.

Mischke, Jürgen/Siegfried, Inga: Die Ortsnamen von Basel. Basel 2016.

Salvisberg, André: Die Basler Strassennamen. Basel 1999.


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