gesichtet #164: Zehn Jahre «gesichtet»
Von Michel Schultheiss
Wer erinnert sich noch an das Geisterhaus von Riehen? Der Holzbau aus den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts stand jahrzehntelang verfallen da, umschlungen von einem verwilderten Garten. Was es damit auf sich hat, wollen wir hier nicht nochmals erzählen. Das wurde vor ein paar Jahren in der Ausgabe #61 dieser Rubrik erledigt. Der Text bedarf aber einer Aktualisierung: Vor gut drei Jahren fuhren am Hungerbachweg die Bagger auf. Anstelle der Bruchbude steht nun ein Neubau auf der Bischoffhöhe. Wie der Bauherr Pascal Brenneisen auf Anfrage schreibt, wurde der Vorgängerbau bereits in den Achtzigerjahren behördlich als unbewohnbar deklariert. Kein Kanalisationsanschluss und Asbest Gründe dafür.
Das Kulturmagazin «Zeitnah» feiert nun seinen zehnten Geburtstag und mit ihm auch diese Rubrik. Das Riehener Geisterhaus ist nur ein Beispiel von vielen Objekten in und um Basel, die hier verewigt sind, aber längst nicht mehr existieren. Die Kleinbasler Kunsthalle ist verschwunden, ebenso die Villa Carmen, der Totenkopfladen und der Gartenzwerge-Shop. Bei den Theaterköpfen hängt kein Kronleuchter mehr. Das Basler Nachtigallenwäldeli ist vor fünf Jahren zu einer neuen Parkanlage geworden. Das «abgestürzte Flugzeug» steht längst in der Riehener Wettstein- statt in der Essiganlage. Beim «Stänzler» hat es mittlerweile schon drei Wirtewechsel gegeben, jetzt ist das vietnamesische Restaurant Nón Lá am Erasmusplatz.
Bauten, Gassen, Stadtoriginale
Die Nachbarschaft zwischen Guggenmusik und Moschee nach dem Abriss des Gebäudes Geschichte, beide haben ihre neuen Lokale an anderen Orten. Der Cedernweg wurde mittlerweile durchgeschrubbt wie schon längst vor ihm das Steinenbachgässlein. Der Erlenkater tigert nicht mehr über die Velowege. Verschwunden sind auch die umgekehrten Plakate beim Theatergässlein, ebenso der Flohmarkt auf der Erlenmatt. Der Schwarze Bär fiel bekanntlich einem Brand zum Opfer, das Waijebläch heisst längst Delphin. Die Badehosenregeln in Bettingen wurden wieder gelockert und das Ueli-Gässli hat nun wieder sein Strassenschild. Den Geheimagent wie auch den König von Portugal und den Mann mit Anti-Jesus-Shirts hat der Schreibende im Strassenbild aus den Augen verloren. Der Mann mit den Mandarinen und Äpfeln ist noch immer beim Barfi anzutreffen. Die grinsende Frau ist weiterhin unterwegs, wenn auch mit deutlich weniger Lächeln im Gesicht. Und was ist eigentlich mit den Zetteln des Professor Karamoko und den zwei Tönen aus dem Akkordeon?
Einige Kuriositäten bleiben auch nach einem Jahrzehnt unverwüstlich. So etwa der legendäre vergilbte Softwareladen an der Feldbergstrasse. Das Gässli von Theobald Baerwart ist nach wie vor inoffiziell, ebenso die Mysligasse, wobei die Beschilderungen wacker hängen bleiben. Das Gansgässlein bleibt verschlossen und den Bierkeller beim Wenkenhof will nach wie vor niemand nutzen. Dasselbe gilt für die toten Gleise im Kleinbasel. Zumindest an diesen Orten scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
- gesichtet #163: Kein Schmaus beim Schottergarten
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