Im Schatten des Axolotl – Louis Garrels «L’innocent»

Louis Garrels vierter Film als Regisseur ist eine witzige, aber auch nachdenklich stimmende Komödie über eine Familie zwischen Verbrechen und Zusammenhalt.

Abel (Louis Garrel) hat vor Kurzem seine Frau verloren. Seine Mutter Sylvie (Anouk Grinberg) heiratet aber zum x-ten Mal – und wieder ist es ein Knasti (Roschdy Zem). Abel will – zusammen mit Clémence (Noémie Merlant), der besten Freundin seiner verstorbenen Frau – seine Mutter vor weiterem Unheil bewahren und beobachtet ihren neuen Mann. Ihm schwant nämlich Böses . Er ist überzeugt, dass Michel immer noch auf der anderen Seite des Gesetzes wandelt …

Es sind 100 kurzweilige Minuten, die Regisseur Louis Garrel hier vorlegt. Sein Abel, ein junger Witwer und Poet, arbeitet in einem Aquarium, wo er den Menschen vom Axolotl und anderen exotischen Tieren erzählt. Es ist dieses verblüffende und vom Aussterben bedrohte mexikanische Tier, das uns Menschen fasziniert, weil es sich immer wieder neu verjüngt und sogar ganze Gliedmassen nachwachsen lassen kann. Beides Fähigkeiten, die der Mensch eben nicht hat – und das ist dem noch jungen Witwer sehr bewusst.

Abels neuer Stiefvater (Roschdy Zem). (Bild: zVg)

«L’innocent» ist so einerseits eine immer wieder sehr amüsante Komödie, dann aber immer mehr nachdenklich stimmendes Bild einer Familie am Rande der Gesellschaft, zwischen Knast und Freiheit – auch dieses Bild aber wird milde gezeichnet. Zum Denken regt der Film aber trotzdem an.

Dies ist auch nicht verwunderlich: Schliesslich ist Louis Garrel ein Schauspieler und Regisseur, der nicht jeden x-beliebigen Stoff verfilmen würde. Dies hat sich bereits in seinem ersten Film gezeigt: «Les deux amis» erzählte die Geschichte von zwei Freunden und einer Frau, die zwar beide mag, aber doch ihren eigenen Weg gehen muss. Auch «L’homme fidèle» spielte die Liebe eine wichtige Rolle: Eine Frau heiratet einen anderen Mann, doch der Mann (dargestellt von Garrel selbst) bleibt ihr treu. In «La croisade» schliesslich spielt Garrel einen jungen Vater, der mit der Klimabewegung konfrontiert wird – der Film basiert (wie auch «L’homme fidèle») auf einem der letzten Drehbücher des grossen Jean-Claude Carrière, von dem auch das Drehbuch zu «Land of Dreams» stammt und der im Dokumentarfilm «Goya, Carrière & the Ghost of Buñuel» aktuell selber zu sehen ist im Kino.

Kurz und gut: «L’innocent» ist vielleicht nicht der beste Film von Louis Garrel; sicher aber der witzigste. Und Humor ist ja gerade im Moment sicher eine gute Medizin gegen die Bad News … Und dies noch zum Schluss: Die Figuren, die Louis Garrel in seinen Filmen, bei denen er Regie geführt hat, spielt, heissen alle Abel. Er ist auf jeden Fall ein Regisseur mit Gestaltungswillen und eigener Handschrift.

«L’innocent». Frankreich 2022. Regie: Louis Garrel. Mit Roschdy Zem, Anouk Grinberg, Louis Garrel, Noémie Merlant, Yanisse Kebbab u. a. Deutschschweizer Kinostart am 8. Dezember 2022.


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