Kampf gegen die eigenen Dämonen – «Las Toreras» von Jackie Brutsche

Die Schweizer Filmemacherin, Künstlerin und Musikerin Jackie Brutsche begibt sich auf Spurensuche nach ihrer früh verstorbenen Mutter.

Jackie Brutsche war noch ein kleines Kind, als sie ihre Mutter verloren hat. Als erwachsene Frau – unterdessen Musikerin (The Jackets), Künstlerin und Filmemacherin – macht sie sich auf nach Spanien, auf der Suche nach der Mutter. Sie interviewt Verwandte in Spanien und der Schweiz.Jackie, aka Jacqueline, aka Yaclín, die Torera, am Aufarbeiten der Familiengschichte. (Bild: zVg)

Der Graben könnte nicht grösser sein: nicht das kalte Klima, sondern der hyperpatriarchalische Vater, also ihr Ehemann, habe sie eigentlich umgebracht. Jackies Vater, ein bekannter jungianischer Therapeut, sieht dies naturgemäss anders. Jackie muss vermitteln zwischen Mittel- und Südeuropa, zwischen anfangs völlig gegensätzlichen Einschätzungen …

Dabei ist es bezeichnend, wie die Menschen versuchen, alles kulturell zu erklären – obwohl das Leiden der Mutter eben eindeutig nicht kulturell, sondern persönlich, also genetisch, individuell bedingt ist. Das erinnert gerade an Markus Somm, der in einer Kolumne den Konflikt zwischen links und rechts in der Schweiz ethnisch-kulturell umdeutet, zu einem Konflikt zwischen den Burgundern im Westen und den Alemannen im Osten. [1]

Und zu guter Letzt: alles ist eben weder genetisch noch kulturell bedingt. Wir versuchen, alles so zu interpretieren, wie es eben am besten in unser Weltbild passt. Und doch bleibt das Unwissen, weshalb gerade die eigene Mutter oder Schwester psychisch erkrankt ist.

Berührend, wie Jackies spanische Familie am Schluss ihre harten Urteile über den Vater revidiert. Bei aller Trauer natürlich über den Verlust eines geliebten Menschen – auch Jackies Basler Vater kann am Schluss die Tränen nicht mehr zurückhalten. Durch die Kunst der Mutter, die im Film gezeigt wird, und die eigene und davon inspirierte künstlerische Umsetzung im Torera-Kostüm setzt sich der Film von anderen Dokumentarfilmen ab.

«Las Toreras» ist ein spannender Film; toll umgesetzt; eine Familiengeschichte wie keine andere, zwischen den Kulturen … denn bei aller angebrachten Skepsis: Auch der kulturelle Hintergrund spielt natürlich eine wichtige Rolle; gerade in einer binationalen Ehe. In «Las Toreras» geht es aber um etwas anderes: eher um die Vorstellung der Menschen, weniger um das, was wirklich ist. Und wie schwierig es ist, unsere Vorstellungen zu modifizieren. 

«Las Toreras». Schweiz 2023. Regie: Jackie Brutsche. Dokumentarfilm. Deutschschweizer Kinostart am 8. November 2023.

[1] https://www.nebelspalter.ch/im-bundesrat-ueberwiegen-die-burgunder-wir-alemannen-gehen-unter


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