Rashomon – Hirokazu Kore-edas «Monster»
Der japanische Meisterregisseur Kore-eda verblüfft mit einem zugänglichen Film über einen Schüler – erzählt aus verschiedenen Perspektiven, u. a. der des Jungen, der der Mutter und der des Lehrers. So spannend wie kontemplativ.
Minato hat es nicht leicht. Er leidet an Wutausbrüchen. Eines Tages touchiert ihn sein Lehrer aus Versehen, er blutet. Seine Mutter geht zur Lehrerschaft, beisst aber bei Rektorin und Lehrern auf Granit. Zu Recht? War es wirklich ein Versehen? Und mobbt Minato seinen Mitschüler Yori wirklich, oder ist dies auch nur eine gemeine Unterstellung des überforderten Lehrers?
Zum ersten Mal verfilmt Hirokazu Kore-eda ein Drehbuch von Yuji Sakamoto. Es handelt sich um Kore-edas einziges Werk – mal abgesehen von seinem Debüt «Maborosi» –, bei dem das Drehbuch nicht auch von ihm selbst stammt. Trotzdem ist das natürlich ein echter Kore-eda – im Gegenteil, der Film ist nicht atypisch für den japanischen Meister – auch wenn er sicher zugänglicher ist als viele seiner anderen Werke. Das Drehbuch wurde in Cannes ausgezeichnet.
Thematisch kommen hier Elemente zur Geltung, die wohl wirklich noch nie zu sehen waren bei Kore-eda, einem Regisseur, der sich selber auch gerne herausfordert, was auch daran zu sehen ist, dass er in den letzten Jahren auch in Frankreich und Korea gedreht hat. Auch literarischen Einflüssen ist er nicht abgeneigt; «Our Little Sister» basierte auf einem Manga, sein Erstling «Maborosi» auf einem Roman von Teru Miyamoto.
Besonders typisch für Kore-eda ist vielleicht gerade der präzise Blick, und da wir «Monster» aus verschiedenen Perspektiven sehen, kommt dies hier vielleicht besonders gut zur Geltung; der Film baut so eine Spannung auf, die ihn eben sicher auch zugänglicher macht, weniger kontemplativ. Trotzdem ist dies natürlich immer noch im Grunde genommen das Gegenteil von Christopher Nolans Kino der Überwältigung: bei allen grossen Gefühlen lässt uns Kore-eda auch diesmal viel Platz für eigene Gedanken, Zeit, um zu atmen. Vielleicht ist es auch eher so, dass hier einfach das narrative Element stärker im Mittelpunkt steht als bei anderen Filmen des Meisters.
«Kaibutsu». Japan 2023. Regie: Hirokazu Kore-eda. Mit Sakura Ando, Eita Nagayama, Soya Kurokawa u. a. Deutschschweizer Kinostart am 25. Januar 2024.
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