Menschen aus dem Osten im Ecopop-Land – Mehdi Sahebis «Prisoners of Fate»

Mehdi Sahebi porträtiert in seinem Dokumentarfilm Menschen, die aus dem Iran und Afghanistan in die Schweiz geflüchtet sind – und die hier aber nur in der Schwebe leben.

An einer Polit-Veranstaltung sagt ein bürgerlicher (?) Politiker, es sei ihm sympathisch, wenn Menschen aus Eigeninitiative ihr Leben verbessern wollen. Natürlich bringt ihnen diese Eigeninitiative aber nichts; die Gesetze in der Schweiz sind streng. Eigeninitiative? Klar, aber nur, wenn wir nichts von unserem Wohlstand abgeben müssen. Eigeninitiative heisst eben genau das: keine Solidarität. Vielleicht ist ja der bürgerliche (?) Politiker im Film eigentlich ein Ecopop-Sympathisant. Auf jeden Fall zeigt der Film klar, was Eigenverantwortung heisst: Ich will nicht zahlen, ich bin nicht solidarisch. Eigentlich heisst es Eigeninteresse, und zwar mein eigenes (vielleicht nicht mal dieses …); sicherlich nicht das von Menschen, die aus anderen Weltgegenden stammen.

Dabei ist es ja ein wahrer Hohn – überall wird beklagt, dass die Reproduktionsrate zu tief sei. Dabei gibt es ja viele Menschen auf der Welt, die eigentlich nur in Frieden leben wollen. Und nicht jeder Mensch ist ein CEO – es gibt ja immer noch Menschen, die weniger qualifizierte Arbeiten machen müssen. Daran verändert auch die KI noch lange nichts; auch wenn es sicher schwieriger wird für viele. 

(Bild: Cineworx)

Es sind verschiedene Schicksale, die Sahebis Film zeigt: einerseits vermutlich unbegleitete Minderjährige; andererseits eine Mutter mit Kind, die auf Familiennachzug hofft – der Fall ist aber ziemlich hoffnungslos. Mehdi Sahebi ist ein Filmemacher, der auf Menschen am Rande der Gesellschaft fokussiert – in «Mirr» etwa auf das landlose Volk der Bunong in Kambodscha; Menschen auch am Rande ihres Lebens, etwa in «Zeit des Abschieds», aber auch in dem kurzen Dokumentarfilm «Bestattungskultur im Wandel», bei dem er zusammen mit Aya Domenig Regie geführt hat.

In diesen Erfahrungen spiegelt sich vielleicht auch die eigene Migrationsgeschichte – sicher aber viel Mitgefühl für andere Menschen, denen es weniger gut geht. Somit ist Sahebi, der mit 20 aus dem Iran in die Schweiz gekommen ist, das Gegenteil des «bürgerlichen» Politikers, der von «Eigenverantwortung» schwafelt. Man darf sich freuen auf weitere Filme dieses engagierten Schweizer Filmemachers.

Anders als der «bürgerliche Politiker» kann Mehdi Sahebi mit den meisten Menschen aus dem Iran und Afghanistan in seiner Muttersprache kommunizieren. Aber «Mirr» zeigt, dass Sahebi in anderen Sprachen drehen kann bzw. sich von der sprachlichen Barriere nicht abhalten lässt. Menschen sind eben Menschen, anders als im Weltbild der Rechtspopulisten. Mehr Menschlichkeit ist machbar, und es gibt immer eine Alternative. Auch ein einfühlsam gemachter Dokumentarfilm wie «Prisoners of Fate» leistet da einen Beitrag.

«Prisoners of Fate». Schweiz 2023. Regie: Mehdi Sahebi. Dokumentarfilm. Deutschschweizer Kinostart am 14. März 2024.


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