gesichtet #1: Das Gruselkabinett der Mannequins
Von Michel Schultheiss
Das Grauen packt den nicht Vorgewarnten, wenn er nachts durch die Colonia Roma in Mexiko-Stadt schlendert. Es ist kein Heavy-Metal- oder Gothic-Geschäft, auch kein Spezialgeschäft Halloween-Artikeln, welches dem willigen Betrachter das Gruseln lernt. Die feilgebotenen Waren sind viel alltäglicher, als auf den ersten Blick vermutet: Oskar’s Uniformes an der Verkehrsachse Insurgentes bietet lediglich Arbeitsuniformen feil. Das unfreiwillige Gruselkabinett rühmt sich, seit 1971 hochwertige Arbeitskleider herzustellen. Es sind jedoch weniger die Berufsuniformen für Köche, Krankenschwestern, Tankwarte und Kellnerinnen, welche die Aufsehen erregen, als vielmehr die sonderbaren Wesen, welche dieselben tragen. Schlimmer als in jeder Geisterbahn an der Basler Herbstmesse harren die Schaufensterpuppen in ihrer Totenstarre aus, um mit ihren leblosen Gesichtern den ahnungslosen Passanten anzustarren.
Wie mir einst ein Halloween-Masken-Fabrikant erzählte, sind die Clowns nach Aussagen der Kunden das Furchteinflössendste im ganzen Horror-Spektrum und daher ein Dauerbrenner im Geschäft. Ausgerechnet das scheinbar Harmlose aus den Zirkus-Kindheitserinnerungen verkauft sich als etwas Schauriges, ja geradezu Perverses. In diese Kategorie müssten auch die Schaufensterpuppen fallen. In den Albträumen meiner Kindheit spielten zum Leben erwachte Schaufensterpuppen nicht selten eine tragende Rolle. Ich glaubte damals, es handle sich bei den Mannequins um echte, versteinerte oder mumifizierte Menschen, die nun für die Modegeschäfte herhalten müssen. Die Oskar’s Uniformes betrachtend frage ich mich, ob an jenen Albträumen nicht doch etwas dran war.
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