Exklusives Interview mit Kasperli – von Olivier Leu

Mit dem Tod von Jörg Schneider verstummt eine Stimme, die mehreren Generationen von den legendären Kasperlitheater-Tonträgern her vertraut ist. Aus traurigem Anlass gewährte Kasperli «Zeitnah.ch» ein Exklusivinterview.  Er macht sich lustig über Lehrer und Polizisten und spricht über seinen Hang zu Tüchtigkeit, Disziplin und «Law-and-order»-Politik.

Interview von Olivier Leu

Kasperli, du bist in Höngg aufgewachsen und sprichst ein ausgesprochen breites Züridüütsch. Wie erklärst du dir deinen Erfolg jenseits der Kantonsgrenzen?

Mich freut’s. Mich freut’s, dass ich da bin. Schön, bist auch du da – dann können wir ja gleich anfangen. Meine Grossmutter spricht einen breiten Sankt-Galler-Dialekt, und da auch sie bei den Hörspielen mitmacht, fühlen sich alle Zürcher und Sankt-Galler mit mir verbunden. Dass ich ein schlauer Hagel bin, hat sich zudem auch in der restlichen Welt herumgesprochen.

Deine Urahnen waren Italiener. Bist du deinen Wurzeln treu geblieben?

Der Arlecchino aus der Commedia-dell’arte, dem ich mein Kostüm verdanke, war ein Diener und verkörperte Gut und Böse, Komik und Tragik. In einigen meiner Stücke trete auch ich als königlicher Diener auf. Ich kämpfe am liebsten gegen Bösewichte, bin aber in meinem Elternhaus und vor allem in der Schule gar nicht immer artig. Ich bin ein lustiger Kumpan, und habe einen grossmächtigen Sinn für Gerechtigkeit. Alle diese Eigenschaften sind sicher von meinem mittelalterlichen Vorfahren vererbt.

(Foto: Nicole Gordine/Wikimedia Commons)

«Ich habe etwas gegen ewige Nörgeler, Leute, die nicht herzhaft essen wollen und immer gleich frieren, wenn es etwas kälter ist» (Foto: Nicole Gordine/Wikimedia Commons)

Du spottest gerne über deine Schulkollegen, wenn diese etwa stolz, vornehm oder geizig sind. Woher kommt deine tiefe Abneigung zu allen, die es mit Tugend und Sitte nicht so eng nehmen?

Ich habe etwas gegen ewige Nörgeler, Leute, die nicht herzhaft essen wollen und immer gleich frieren, wenn es etwas kälter ist. Sie sind nicht hart genug. Nicht so stramm wie ich. Damit kommt man nicht weiter im Leben. Am meisten aber hasse ich Faule. Wer nicht tüchtig arbeiten will und nur immer ans Essen und Schlafen denkt, soll gehen. Die brauchen wir nicht hier. Die sollen ins Schlaraffenland.

Das klingt doch sehr nach althergebrachten Moralvorstellungen und Aufrufen zum harten Bestrafen von Abweichlern. Bist du ein konservativer Wutbürger?

Werde nicht frech, Bürschchen. Sonst muss ich dir mit dem Knebel eine zitieren!

Aber Kasperli – drohst du immer so schnell?

Ja, das mache ich mit allen, die den Kasper kritisieren. Aber fahre jetzt fort mit deinem Interview, aber ein bisschen plötzlich!

Gerne. Auch mit rachsüchtigen Hexen, hysterischen Teufeln und pädophilen Zauberern bist du nicht gerade zimperlich. Nicht selten sperrst du deine Widersacher ein – für immer und ewig. Oder du lässt sie zu Stein erstarren, tot umfallen oder vergiftest sie. Ist das kindergerecht?

Wer Böses im Sinn hat, hat es nicht anders verdient. Du scheinst mir ein Kuschelpädagoge zu sein. Warte nur, dir zeig ich’s noch! Willst du nicht mit den politisch Korrekten Cüpli trinken gehen?

Kasper, ich stelle hier die Fragen. In deinen Vorstellungen gehst du nicht nur wahren Übeltätern an den Kragen. Du schlägst unabhängig von der Schwere eines Delikts zu, verprügelst Frauen. Wie stehst du zum Rechtsstaat?

Wer sich anständig benimmt, hat nichts zu befürchten. Wer nicht, bekommt es mit der Polizei oder mit mir zu tun. Das Rechtssystem wird heute zusehends ausgehöhlt.

Verwahrungs- oder Pädophilen-Initiative sprechen eine andere Sprache. Das Volk lässt sich von den Emotionen leiten. Doch auch die Regelungswut der Behörden, wie etwa Via-Sicura, führt nicht zu milderen Gesetzen – das Gegenteil ist der Fall.

Bei den Gesetzen ist dies absalat richtig. Doch die Volksinitiativen muss man ernst nehmen. Sie zeigen, wo dem Volk der Schuh drückt. Und wird eine populistische Initiative angenommen, ist das oft Ausdruck von Emotionen, die im Volk brodeln. Auch ich bin stark von meinen Emotionen geleitet. Und ich habe einen Riecher für Ungerechtigkeit.

Also muss jede Ungerechtigkeit drakonisch bestraft werden?

Ich habe natürlich schon auch Mitleid – wenn jemand zum Beispiel in eine kriminelle Handlung hineingerutscht ist. So wie der Holzhacker-Sepp, der nicht in böser Absicht ein Kleinkind gestohlen hatte und zur Strafe den Rest seines Lebens als Wichtelmännlein verbringen musste.

Du scheinst auch politisch von Gegensätzen geprägt zu sein. Ist das nun eine Stärke, im Sinn von Scheinwidersprüchen – oder verstehst du bloss zu wenig von Politik?

Die Hippies von 1968 warfen mir vor, ich würde keine politische Botschaft vermitteln. Sie wollten mich als Umwelt-Apostel sehen, als Freund der Migrantinnen und ich sollte gewaltfrei kommunizieren. Von Politik verstehe ich so viel, dass für mich klar ist: Solche Forderungen kann ich nicht verstehen. Mein Ziel war immer, die Kinder zu unterhalten. Da war mir halt so manches Vorurteil recht.

Dann bist du also kein Demagoge?

Hemperständlich nicht. Ich will jetzt auch wieder artig sein – es tut mir leid wegen der Anmache vorhin. Es war ja nur ein Spässchen.
Darin bist du am besten. Und beim Bekämpfen von Räubern und Naturgeistern. Stellst du dich heute auch aktuelleren Gefahren?
Danke viermal fürs Kompliment. Auch heute noch habe ich eine Vorliebe für mythologische Wesen und sagenumwobene Orte, wenngleich mein Alltag moderner geworden ist. Meine Kollegen schauen fern und ich mache auch schon mal eine Reise mit dem Flugzeug.

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