Yin und Yang in der Wüste – Pete Ohs‘ und Andrea Sissons «Everything Beautiful Is Far Away»
Ein Science-Fiction-Film ganz ohne Horror und mit einem geradezu nostalgischen Blick auf die Künstliche Intelligenz – das ist der erste Film von Pete Ohs und Andrea Sisson, in dem sich ein Eigenbrötler mit seinem Roboter, genannt Susan, durch die Wüste bewegt…
Lernert (Joseph Cross) mag die Grossstadt nicht. Deshalb ist er allein in der Wüste unterwegs, zusammen mit seinem Roboter Susan (Stimme: Jillian Mayer), von dem allerdings nur noch der Kopf übrig ist. Da lernen sie Rola (Julia Garner) kennen, eine Frau, die weniger von Lernerts Skeptizismus oder von Susans wissenschaftlichem Blick beseelt ist. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach dem sagenumwobenen Kristallsee…
Pete Ohs und Andrea Sisson werfen einen geradezu nostalgischen Blick auf die Künstliche Intelligenz – Susan ist nicht HAL, und sie ist auch nicht Scarlett Johansson in «Her» (http://zeitnah.ch/7861/spike-jonze-her/).
Auch die Wanderschaft durch die Wüste ist nicht etwa Produkt eines Endzeit-Szenarios: Lernert ist – wie Rola, wie ein anderer Eigenbrötler, den sie kurz in der Wüste kennenlernen – aus eigenem Antrieb in der Wüste, eine Art Aussteiger, der aber nicht zurück in die Natur will, sondern seinen Roboter mitnimmt, um die Natur dann doch irgendwie zu bezwingen oder zumindest zu überleben.
Musikalisch wird der Film von seltsamen elektronischen Klängen untermalt, den Score geschrieben hat Alan Palomo. Im Abspann des Films folgt der gleichnamige Song von Grandaddy – für Indie-Fans ein weiterer Grund, den Film zu sehen.
Susan selber – zumindest dann, wenn sie wieder aufgeladen ist – fungiert dabei als Erzählerin. Sehr viel erklärt sie aber auch nicht, schliesslich ist sie auch immer wieder ohne Strom. Ihre Stimme ist dabei bewusst unmenschlich, anders als bei Alexa oder Siri ist hier natürlich gar nicht das Ziel, die Stimme besonders menschlich erscheinen zu lassen: weil Susan ihre Grenzen kennt, ist sie ein Gegenentwurf zu HAL – dem Bordcomputer, der in Stanley Kubricks «2001» die Macht übernehmen will.
In dieser Utopie von Ohs und Sisson kennen alle ihren Platz, auch der Mann und die Frau arbeiten dabei zusammen und ergänzen sich perfekt. Von Konflikten zwischen Susan, Lernert und Rola keine Spur – vielleicht kein Zufall, dass Susan einen traditionellen Vornamen hat, anders als Lernert und Rola mit ihren sprechenden Namen, die auf das Lernen bzw. die Rolle verweisen.
Alle spielen hier ihre Rolle, und zwar genau so, wie es sein soll. Kurz und gut: ein sehr sympathischer kleiner SF-Film und ein schöner Gegenentwurf zu unseren apokalyptischen Zeiten.
«Everything Beautiful Is Far Away». USA 2017. Regie: Pete Ohs und Andrea Sisson. Mit Julia Garner, Joseph Cross, Jillian Mayer, C. S. Lee. Schweizer Premiere am 26. April 2019 im B-Movie Basel, www.b-movie.ch
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