Düstere Reagan-Jahre – RKKS’ «Summer of 84»
Der neue Film des Regie-Trios RKSS («Turbo Kid») ist eine überzeugende Mischung aus Drama und Horror-Thriller, in dem ein Teenager meint, im Nachbar – einem Polizisten – einen Serienkiller entdeckt zu haben. So macht er sich auf, um zusammen mit seinen Freunden den Killer zu überführen und sammelt vermeintliche Indizien… eine einfühlsame Hommage an die 80er-Jahre!
Cape May, Oregon, 1984. Der Teenager Davey (Graham Verchere) und seine Freunde interessieren sich für Mädchen und wollen Spass haben. Vor allem: etwas Abwechslung. Da kommt ein Serienkiller grad recht. Davey ist überzeugt, dass es sich dabei um seinen Nachbarn handelt, den sympathischen Polizisten Wayne Mackey (Rich Sommer). Doch handelt es sich dabei nicht um ein Hirngespinst des noch heranwachsenden und fantasievollen Davey? Die von Davey und seinen Freunden bewunderte Nikki (Tiera Skovbye) ist davon überzeugt…
Reagan und Bush Sr. freuen sich auf ihre zweite Amtszeit. Der Kalte Krieg will und will nicht aufhören, schon hier zeigt die vermeintliche Idylle ihre Risse. Nach dem ausgeflippten «Turbo Kid» hat sich das Regie-Trio Simard-Whissell-Whissell, auch bekannt als RKSS, einem ernsteren Stoff gewidmet, in einem gewissen Sinne ist dies der in die 80er-Jahre verlegte, mit Genre-Elementen angereicherte kanadisch-amerikanische Bruder von Ang Lees «The Ice Storm». Eine Hommage an die 80er-Jahre, komplett mit einem wie immer grossartigen Soundtrack von Matos, der auch bereits bei «Turbo Kid» mit von der Partie war.
In Ang Lees Drama «The Ice Storm» sind es die korrupten Nixon-Jahre, die verhandelt werden, hier sind es die Reagan-Jahre des entfesselten Kapitalismus. Das Regie-Trio legt einen starken, stimmungsvollen Film vor, eine Reise in eine nahe, aber doch so ferne Vergangenheit – ein Thriller, in dem aber doch weniger die Spannung, sondern eher die Stimmung im Vordergrund steht. Ein – vor allem nach «Turbo Kid» – verblüffend düsterer Film, in dem es wohl keine Erlösung gibt. Ein hellsichtiger Blick auf eine Zeit, in der die Weichen für den entfesselten Neoliberalismus gelegt wurden. Mehr noch aber vielleicht ein einfühlsamer Blick auf die Jugend, ganz abgesehen von Zeit- und Lokalkolorit.
Wobei: «Summer of 84» ist eine kanadisch-amerikanische Koproduktion. Die aus Kanada stammenden FilmemacherInnen haben dabei zweifellos – darauf verweist auch Marshall McLuhan oder Mike Myers (in Eugene Jareckis Dokumentarfilm «The King») – einen etwas anderen Blick auf die Welt, gerade auch auf ihr nördliches Nachbarland. Dieser spezielle Blick ist es, der den Film besonders sehenswert macht. Nicht verpassen!
«Summer of 84». USA/Kanada 2018. Regie: François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell. Mit Graham Verchere, Caleb Emery, Judah Lewis, Cory Grüter-Andrew, Tiera Skovbye, Rich Sommer u.a. Premiere am Freitag, 22. Februar 2019 im Basler Filmclub B-Movie an der Grellingerstrasse: http://b-movie.ch
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