Das Bildnis der Dezzy Gray – Joe Begos‘ «Bliss»

Dezzy ist eine Künstlerin. Ihre Werke sind gefragt. Doch diesmal scheint nichts zu klappen: ihr Agent macht Druck, und die Galeristin ist auch unzufrieden. Dezzy sucht Inspiration in den Drogen… Joe Begos‘ Film ist ein blutiger Horror-Trip, der es in sich hat. 

Dezzy (Dora Madison Burge) hat es geschafft – die Frau ist bereits in jungen Jahren eine renommierte Künstlerin. Doch eine kreative Blockade macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie sucht die Inspiration in den Drogen – und zwar nicht irgendwelchen Substanzen, sondern einer Mischung, die es in sich hat…

Joe Begos‘ Film hat ein Thema, das immer aktuell ist: die Kunst und die Ethik. Wie weit gehen wir? Werner Herzog hat den Tod von Indigenen in Kauf genommen – was verwundern muss bei einem Menschen, der die Psychoanalyse mit den Hexenverbrennungen vergleicht. Roman Polanski ist für die einen immer noch ein gesuchter Verbrecher, andere sehen in ihm einen grossen Regisseur, der vielleicht auch in seinem letzten Film «J’accuse» seine eigene Geschichte als Verfolgter (zuerst von den Nazis, dann von der Justiz) reflektiert. Harvey Weinstein ist verurteilt, und die nächsten Prozesse warten schon auf ihn. Sollen wir die von ihm produzierten Filme boykottieren? Und was wäre Todd Phillips «Joker» ohne Gary Glitter? Und der Hip-Hop ohne Afrika Bambaataa? Auch Dezzy ist in ihrem Umgang mit den Menschen nicht gerade zimperlich – und das wohl nicht erst seit ihrer Begegnung mit einer besonders potenten Droge.

Dezzy ist unterwegs in eine ungewisse Zukunft. (Bild: zVg)

So oder so ist ja die Droge eigentlich nur ein Vorwand. Wir lernen Dezzy ja auch noch vorher kennen und wissen deshalb, dass sie auch ohne Drogen nicht ein besonders sympathischer Zeitgenosse ist. Der Titel des Films heisst «Bliss»; hier klingt schon im Anlaut das Blut an. Und Blut gibt es tatsächlich viel zu sehen in «Bliss» – Dezzy wird zu einer wahren Bestie, dies zumindest unter Einfluss der Droge. Vielleicht ist der Film auch als eine Art Rachephantasie à la «Audition» (Takashi Miike) zu verstehen, oder als Arthaus-Horror in der Tradition von Abel Ferraras «The Addiction».

Allerdings wird hier nicht in Schwarzweiss philosophiert; im Gegenteil: gerade die Farbe ist hier ein wichtiger Bestandteil des Ganzen. Joe Begos zeigt auf jeden Fall,dass er etwas von Film und Blut, also Film und Farbe versteht – «Bliss» lässt sich als ‚Glückseligkeit, Entzücken‘ übersetzen, und wer auf gediegenen Arthaus-Horror steht, in dem das Blut in Strömen fliesst, kommt hier sicher auf seine Kosten. Und dies noch zum Schluss: Dezzys Name erinnert an Desdemona, anders als die Figur in Shakespeares «Othello» wird aber nicht Dezzy zum Opfer, im Gegenteil. Vielleicht rächt sie sich durch ihre Aktionen ja an den Männern in ihrem Leben – #MeToo könnte hier nicht ferner sein; Dezzy lässt sich nicht unterkriegen.

Aber um welchen Preis? Aber vielleicht ist es falsch, hier politische oder gar feministische Elemente zu detektieren. Dezzy ist einfach Dezzy; hinter dem harmlosen Diminutiv verbirgt sich aber eine Künstlerin, die alles andere als harmlos ist… vielleicht steht das D ja auch für Désirée, oder gar für Dorian, wie in Oscar Wildes Dorian Gray. Wildes «Das Bildnis des Dorian Gray» ist sicher auch eine Inspirationsquelle für Joe Begos, von dem selbstverständlich auch das Drehbuch stammt. Kunst? Ethik? Frauen? Männer? Natürlich ist das alles drin in Joe Begos‘ Film, und noch viel mehr. Das B-Movie bleibt sich mit diesem Film treu – und bald geht es weiter mit dem Farbenhorror der Lovecraft-Verfilmung «Color Out of Space» mit Nicolas Cage.

«Bliss». USA 2019. Regie: Joe Begos. Mit Dora Madison Burgem Graham Skipper, Tru Collins, Rhys Wakefield, Rachel Avery, Chris McKenna u.a. Basler Premiere im B-Movie am 13. März 2020.


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