Aufgezeichnet! Activity Tracker «PanOptimum» im Test

Hans Hammer testet für «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» den Activity Tracker «PanOptimum» aus dem Hause DumDum.

115’159 Herzschläge, 11’456 Atemzüge, 7385 Schritte, 15-mal gefurzt und 37-mal in der Nase gebohrt, und das allein die vergangenen 24 Stunden! Welch urchig-seltsamer, buchhalterischer Reiz geht nicht aus von solchen Zahlen! Erhoben werden sie natürlich nicht mit Strichli-Listen, sondern mit «Activity trackers» – jenen Gadgets, die, ob an die Turnschuhe geklammert oder am Handgelenk – als Uhr oder Armband –, aber auch über der Brust, auf Höhe Herz, getragen, Schritte, Geschwindigkeiten, Kalorienverbrauch und Pulswert festhalten. «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» beauftragte Redaktions-Kaffeemaschinenputzer Hans Hammer mit einem Test des brandneuen Activity trackers «PanOptimum» der Firma DumDum.

Macht sich nicht gut beim Sonnenbaden: «Activity Tracker» der Marke «elektronische Fussfessel».

Macht sich nicht gut beim Sonnenbaden: «Activity Tracker» der Marke «elektronische Fussfessel». (Wikicommons)

Stromstösse und Bravo-Rufe

Schon nach wenigen Stunden des Bedienungsanleitungsstudiums bewährte sich das «PanOptimum» ein erstes Mal. Und zwar mit Bravour. Die eingebaute Wärmebildkamera warnte Hans Hammer, weil er sich zu lange ohne körperlichen Ausgleich mit dieser kopflastigen Aufgabe gequält hatte: ein eindrückliches Ganzkörper-Wärmeverteilungs-Foto (ein knallroter Stecknadelkopf, thronend über dunkelgrünem Körper) warnte ihn vor dem Unheil. «PanOptimum» sendete über spezielle, im Grundpaket nicht enthaltene Unterwäsche «Activity-activating activators» an zu wenig intensiv genutzte Extremitäten. Pop-ups riefen geeignete Bewegungsarten in Erinnerung («Geh spazieren!»; «Nimm die Treppe!»). Sofort fiel Hans Hammer auf: die Verwendung des «PanOptimums» führt zu frappanten Unterschieden in Sachen Bewegungsmuster. Es handelt sich nicht mehr um die eh kaum zu vermeidenden paar Schritte zwischen Bett, Sofa, Kaffeemaschine, Spunten. Nur schon, um die Hardware auszureizen, ging Hans Hammer grössere Kreise, steilere Steigungen, weitere Strecken. So legte er seine morgendlichen fünfzig Minuten Pendeln zu Fuss zurück. Stieg bei der Autobahnausfahrt aus dem Wagen aus. Riss im Tram die Notbremse und ging zu Fuss. Er holte die Zeitung am Kiosk statt im WWW. All diese Bewegungen wurden von «PanOptimum» tadellos festgehalten. Genau so, wie beim Essen die Kalorien. Ein Modus des «PanOptimums» erkennt nämlich, was man gerade essen will. Je nach Verträglichkeit der angedachten Speisen mit dem Selbstoptimierungsschema setzt das Gerät Stromstösse beziehungsweise «Bravo!»-Rufe ab. Nach der freiwilligen Einpflanzung einer Bluetooth-Magensonde lassen sich diese Resultate verfeinern.

Aus Metalllegierung gegossener, kelchförmiger «Activity Tracker» an einem Stück Fleckvieh. Ein lose baumelnder Klöppel trifft bei Bewegung auf den gewölbten Rand. Ein Ton wird ausgelöst. So lässt sich die Aktivität  des Rindviehs mühelos tracken.

Aus Metalllegierung gegossener, kelchförmiger «Activity Tracker» an einem Stück Fleckvieh. Ein lose baumelnder Klöppel trifft bei Bewegung auf den gewölbten Rand. Ein Ton wird ausgelöst. So lässt sich die Aktivität des Rindviehs mühelos tracken. (Wikicommons)

Intelligente Kontaktlinsen

Mit dem «PanOptimum» verdrahtete Kontaktlinsen färben das Sehfeld des Probanden in den in den üppigsten Farben, um ihn bei besonders harten Radikaldiäten aufzumuntern oder auf zu ambitioniert gewählten Rad- oder Nordic-Walking-Strecken über die Schmerzen hinwegzutäuschen. Daneben ermittelt wieder eine andere Funktion des Geräts die momentane Stimmung und bearbeitet das Gesehene mit korrespondierenden (je nach Einstellung auch diametral widersprechenden) Lichtfiltern. Auch ermöglichen diese auf Wunsch erhältlichen Linsen es, mit einer entsprechenden «Google-Earth»-Erweiterung, gewählte Laufstrecken bereits vorab als Preview zu begehen. Werbe-Banner erleichtern die Planung aktivitätsbegleitender Elemente wie Zvieri-Essen, Taxi-Finden oder Hotelzimmer-Buchen. Dass die Linsen ebenfalls über Funktionalitäten verfügen, die einem in Echtzeit Distanzen, Geschwindigkeiten und sonstige Angaben vor Augen führen, sollte nicht eigens erwähnt werden müssen. Auch extratiefe Social-Anbindungen haben sie, so dass nicht wieder jene tote Lebenszeit entsteht, die etwa entstehen würde, wenn man joggt und nicht gleichzeitig seine Zähne putzt oder doch wenigstens die E-Mails checkt.

GPS-Libido-Tracking

Ein GPS-Sender zeichnet das tägliche Leben zentimetergenau auf. Jedes Mäandern durch die Innenstadt zur Büroöffnungszeit; jedes zaudernde Schwanken zwischen Slimline- und Vollfettjoghurt-Kühlregal in entsprechend ausgerüsteten Kaufhäusern; jeden noch so kurzen, kleinen Puffbesuch. Frei erhältliches Zubehör (Wifi-taugliche Intim- und Zungenpiercings; Schwanzringe; Diaphragmen; diverses Sexspielzeug) ergänzt das «PanOptimum» um animierende Features wie Penetrationstiefen-Monitoring und Aufzeichnung verabreichter Mengen Sekrete. Auch der Beschleunigungssensor des Geräts glänzt bei dieser Gelegenheit. Nach der allerdings freiwilligen Einspeisung einer Komplett-DNS auf das «PanOptimum» verbindet sich das System mit Herstellerdatenbanken und spuckt aufgrund des Erbmaterials als Fortpflanzungspartner infrage kommende Individuen (nur «PanOptimum»-Nutzer) aus. Selbstverständlich verfügt dieses «Match Finder»-Programm nebst den Einstellungen «Familiengründung», «Gschleick nebenher», «Zeitvertreib» und «Neuanfang» über weitere Optionen, die sich in Abhängigkeit der vom System unkompliziert ermittelten sexuellen Präferenzen stufenlos regulieren lassen.

Ein weiterer tierischer «Activity Tracker». Prominent zu sehen das olfaktorische, optische und akustische Interface. Ein raffiniertes Zusammenspiel dieser Sensoren ermöglicht das Tracken auch unscheinbarer Aktivität. Muss sporadisch mit Hundekeksen aufgeladen werden.

Ein weiterer tierischer «Activity Tracker». Prominent zu sehen das olfaktorische, optische und akustische Interface. Ein raffiniertes Zusammenspiel dieser Sensoren ermöglicht das Tracken auch unscheinbarer Aktivität. Zeigt Aktivitäten mit Gegenaktivitäten an. Muss sporadisch mit Hundekeksen aufgeladen werden. (Wikicommons).

Frei skalierbare «Drinking Goals»

Man sieht: Der Vorteil des «PanOptimums» ist seine Skalier- und Anpassbarkeit. Keine Erweiterung zu komplex, keine Kennziffer zu bieder. Endlich ist es möglich, Freunde aufgrund notorisch missachteter Kriterien wie Kalorienverbrauch oder Bewegungsmuster zu finden. Das unzuverlässige Bauchgefühl, die idealisierte «Liebe auf den ersten Blick» und all die weiteren ebenso unpräzisen wie fehleranfälligen Findungsroutinen haben ausgesorgt.

Die Daten laden sich von alleine hoch und lassen sich mit der Welt teilen. Endlich muss man sich nicht mehr mit «Privacy»-Entscheidungen abgeben: das Gerät nimmt einem alle Entscheidungen ab. Dazu gehört auch die Frage der Fahrtauglichkeit. Nützlicherweise bietet «PanOptimum» eine elektrochemische Restpromille-Berechnungs-Funktion, deren Einsatzbereich selbsterklärend ist. Störend ist, dass das System nach positivem Atemalkoholtest sich hinters Steuer setzende Nutzer nicht mittels geeigneter Mittel stoppt, sondern die Beweismittel samt GPS-Daten und Belastungsfotos an die Polizei verpetzt. Mehr überlegt hat DumDum bei den «Drinking Goal». Damit ist es dem Schluckspecht möglich, individuelle «Drinking Goals» («Angesäuselt»; «Besoffen, aber noch Pinterest-tauglich»; «Bewusstlos») einzugeben. Das System informiert mit entsprechenden Signalen über das Erreichen der Ziele; bei der Einstellung «Bewusstlos» übernimmt es auch gleich noch das Nachtragen der verpassten Facebook- und Twitter-Updates. Eine echte Erleichterung.

Nicht gerichtsfeste Gedächtnisstütze

Noch genialer die «AutoParrot» genannte Funktionalität des Geräts. «PanOptimum» zeichnet auf Vorrat sämtliche Geräusche auf. Stimmen werden herausgefiltert und mit nur wenigen Sekunden Verzögerung auf Faktoren wie Tonhöhe und heimliche Absicht des Sprechers untersucht. So nimmt uns «PanOptimum» die Frage ab, auf welche Sprüche es sich lohnt, die Stimme zu erheben, und auf welche man mit einer Aufbesserung der persönlichen «Box-Goals» reagieren soll. Auch verfügt «PanOptimum» über eine «Audio Record»-Funktionalität, die 64 oder 128 Gigabyte der vom Benutzer geführten Gespräche aufzeichnet (ohne Antworten des Gegenübers), inklusive automatische Verschlagwortung und Desktop-App. Dadurch wird es möglich, hinter das gesprochene Wort zurückzugehen. Missverständnisse, Inkompetenzen, Gedächtnismangelleistungen, Verwechslungen und Unterstellungen lassen sich so unkompliziert wie prompt aus der Welt schaffen. Dass die mittels dieser Funktion erhobenen Beweismittel nicht gerichtsfest sind, hängt mit gesetzlichen Bestimmungen zusammen. Es lässt sich nicht der glasklaren Audio-Qualität des «PanOptimum» anlasten. Die «Mix + Remix» genannte Funktion des Trackers ermöglicht es, jederzeit auf eine Auswahl seiner flottesten Sprüche und derbsten Beleidigungen zurückzugreifen: wahlweise lassen sich die MP3 diskret, im Sinne einer Gedächtnisstütze, über die mitgelieferten In-Ear-Headphones einflüstern oder über die eingebauten Powerspeaker herausposaunen. Das schont Stimmbänder und macht Spass.

Simpler «Activity Tracker» humaner Ausprägung. Bietet den Vorteil der Übersichtlichkeit, kann jedoch nur auf ruhenden Oberflächen erstellt werden, was die Applikation disqualifiziert für das Festhalten bewegungsgebundener Aktivitäten wie etwa Schwimmen oder Joggen.

Simpler «Activity Tracker» humaner Ausprägung. Bietet den Vorteil der Übersichtlichkeit, kann jedoch nur auf ruhenden Oberflächen erstellt werden, was die Applikation disqualifiziert für das Festhalten bewegungsgebundener Aktivitäten wie etwa Schwimmen oder Joggen. (Wikicommons)

Unbefriedigende Schlafziele

Bei allen Vorteilen problematisch ist die Zielvorgabe «Sleep Goals». Diese erlaubt es, zu erreichende Schlafziele einzugeben. Genussvoll gab Hans Hammer ein Soll von siebzehn Stunden Schlaf pro Nacht an. Das Problem: Hartnäckig wachte er nach bloss elf Stunden, und auch noch hellwach, auf. So häufte sich ein gigantisches Schlafmanko an. Weder hat das «PanOptimum» Funktionen, die es erlauben, den Schlaf im Falle hartnäckig wiederkehrender Minuszeiten zu erhöhen, noch erlaubt es die Softwarearchitektur, im Büro nachgeholte Schlafzeiten hinzuzurechnen. Im Gegenteil: aufgrund einer Charakteristik des Betriebssystems setzt es in diesem Fall Stromstösse, und es zieht sich – je nach erworbener Version des «PanOptimums» – eine Würgeschlaufe zu.

Weitkotzen und Kneipenschlägereien

Ein anderer Wermutstropfen betrifft den vom «PanOptimum» wahrgenommenen Lebensbereich. Es zeichnet bloss 2/3 des Lebens auf. Was das verbleibende Drittel betrifft: Die zweifelsohne vorhandenen Stärken in Sachen Schlafphasen-Tracking trösten nicht über die Unmöglichkeit hinweg, Träume oder etwa im Traum/in Gedanken fliegend, tauchend, rollend, pollernd, schwebend hinter sich gebrachten Kilometer zu tracken. Die Einschränkung des «PanOptimums» auf Vermessbarkeiten und Quantifizierbarkeit ist geradezu stossend. Auch ist uneinsichtig, weshalb das «PanOptimum» zwar Restpromille und Saufziele berechnet, sich softwareseitig jedoch weigert, so geläufige Activities wie Schlangenlinienlaufen, Weitkotzen, Autowettrennen im Vollsuff und Kneipenschlägereien zu tracken. Ein pädagogistischer Impetus seitens der Herstellerfirma ist hier gewiss nicht von der Hand zu weisen.

Gleich drei «Activity Tracker» auf einen Blick. Die Sanduhr (r.) zeigt mittels eine Doppelhalsenge herunterrieselndem Sand die verstrichene Zeit an. In dem Buch (l.) lassen sich Zeiten und Aktivitäten festhalten sowie Anregungen zu weiteren Aktivitäten ablesen. Die Karte (u.) erlaubt es schliesslich, die temporal-aktivitätenspezifischen Angaben in geografischer Spezifikation festzuhalten. Im Hintergrund eine Spiele-App, ein sogenanntes Schachbrett.

Gleich drei «Activity Tracker» auf einen Blick. Die Sanduhr (r.) zeigt mittels eine Doppelhalsenge herunterrieselndem Sand die verstrichene Zeit an. In dem Buch (l.) lassen sich Zeiten und Aktivitäten festhalten sowie Anregungen zu weiteren Aktivitäten ablesen. Die Karte (u.) erlaubt es schliesslich, die temporal-aktivitätenspezifischen Angaben in geografischer Spezifikation festzuhalten. Im Hintergrund eine Spiele-App, ein sogenanntes Schachbrett. (Wikicommons)

Kein «Passivity Tracking»

Die hehre Absicht gereicht zur Achillessehne. Im Bereich «Passivity Tracking» vergibt das «PanOptimum» seine grösste Chance, wirklich unverzichtbar zu werden. Weder trackt es Sofasitzkuhlentiefen im Verhältnis zu den dabei eingenommenen Flüssigkeiten und Speisen, noch hat es eine Funktion, die es erlaubt, Activitys wie das zu Unrecht verpönte Löcher-in-die-Luft-Starren anmächelig zu visualisieren. Kettenraucher vermissen ausserdem entsprechende Empfindlichkeiten des Geräts: Gerade angesichts USB-gestützter E-Zigaretten ist ein solcher Mangel nicht nachvollziehbar. Zu kurz kommen auch Leser und Schreiber. Schade. Das Vermessen des Tastaturanschlags oder der schreibend auf dem Papier hinter sich gelassenen Kilometer wäre technisch ein Leichtes. Ein ordentlicher Gyrometer würde ferner problemlos die Anzahl umgeblätterter Seiten festhalten, während es mit den Linsen nicht schwer sein kann, das Leseverhalten zu tracken. Schade, dass diese Chance vertan wurde. Kommt hinzu das Preisschild: Das «PanOptimum» muss sich leisten können, wer es sich leisten will. Von den Leasing-Programmen muss abgeraten werden: die beim Kauf zu unterzeichnenden, ausstiegsklausellosen 5-Jahres-Verträge haben es so schon in sich. Ein schlechter Witz ist die Batterie: Kaum hat man sich aufgerafft, sind die Balken leer. Das Gerät ist ein Batteriekiller.

Wo, wenn nicht hier, gibt es was zu tracken? Eine sogenannte elektrische Zigarette samt standardmässig verbauter USB-Schnittstelle. Kann leider von «PanOptimum» nicht getrackt werden.

Wo, wenn nicht hier, gibt es was zu tracken? Eine sogenannte elektrische Zigarette samt standardmässig verbauter USB-Schnittstelle. Kann leider von «PanOptimum» nicht getrackt werden.

Was vom «PanOptimum» bleibt

Wer nach einem verlässlichen  Instrument der Selbstoptimierung sucht, eher aktiv ist als passiv und mit den erwähnten Nachteilen leben kann, ist mit dem «PanOptimum» gut beraten. Das «PanOptimum» vollführt die Funktionen einer elektronischen Fussfessel, wird jedoch ohne richterliche Intervention getragen. Dieser Wohlfühlfaktor kann gar nicht hoch genug eingestuft werden. Es macht mächtig Spass, am Abend die neuesten Zahlen betreffend Herzschläge und Atemzüge zu betrachten. Im WWW vergleicht man seine Werte mit denen der anderen «PanOptimum»-Nutzer, wetteifert mit ihnen und lernt neue Leute kennen. Das «PanOptimum» stösst in eine nicht nur für Statistiker und Erfahrungswissenschaftler wichtige Nische vor. Es tut mehr, als Activity zu tracken. Es setzt tote Lebenszeit frei. Diese lässt sich einsetzen für die Auswertung der eigenen Activity-Protokolle oder für das Studium der kryptischen Bedienungsanleitung.


%d Bloggern gefällt das: