Paso Doble – Xavier Dolans «Tom à la ferme»

Toms Freund Guillaume ist tot. Er ist zu Gast bei dessen Mutter und Bruder. Erstere hat keine Ahnung, dass ihr Sohn homosexuell war. Der Bruder weiss es nur allzu gut, ist aber nicht bereit, dies seiner Mutter zu offenbaren. Zwischen Tom und Francis, dem Bruder, entwickelt sich eine Art Hassliebe – bald schon arbeiten sie zusammen auf der Farm, tanzen zusammen Tango – und schliesslich engagiert Tom sogar eine Freundin, die die Schwester des verstorbenen Bruders verkörpern soll. Doch die Sarah genannte Pseudo-Freundin merkt, dass etwas nicht stimmt…

 

Francis und Tom - opposites attract? (Bild: zVg)

Francis und Tom – opposites attract? (Bild: zVg)

 

Nach «J’ai tué ma mère» und «Les amours imaginaires» sowie «Laurence Anyways» hat Xavier Dolan mit «Tom à la ferme» ein Theaterstück (von Michel Marc Bouchard) verfilmt – böse Zungen behaupten, dass dies nur allzu offensichtlich sei. Es ist das erste Mal, das sich Dolan eines fremden Stoffes angenommen hat. Das Ergebnis lässt sich aber durchaus sehen, die Geschichte des naiven Tom, der sich von Francis einseifen lässt – oder besser: verprügeln lässt und trotzdem auf der Farm bleibt – packt. Der 1989 geborene Dolan kann in seinem aktuellen Film Formen der Ausgrenzung zeigen, die in einem städtischen Milieu im Westen wohl doch grösstenteils passé sind, also auch im kanadischen Québec. Deshalb würde es wohl auch aufgesetzt wirken, wenn Dolan einen Film wie «Floating Skyscrapers» (Regie: Tomasz Wasilewski)  inszeniert hätte, in dem die Ausgrenzung im städtischen Milieu (in Polen) gezeigt wird; ein Film notabene, der gar mit einem «Hate Crime» endet. Offene Homophobie ist selbst in einem westlichen, städtischen Milieu nicht unbekannt – das hat nicht zuletzt Abdellatif Kechiche in «La vie d’Adèle» gezeigt. In Dolans Film ist aber der Graben zwischen Land und Stadt wohl doch von zentraler Bedeutung. Es ist Francis‘ Geschichte der brutalen Unterdrückung seiner Gefühle, die hier thematisiert wird.

Die Sexualität des homophoben Francis ist unklar, er gibt sich zwar als brutaler Macho; aber würde ein echter Hetero mit Tom zu Gotan Project tanzen? Vielmehr will Dolan hier wohl zeigen, dass der Homophobe eben nur versucht, seine eigenen homophilen Tendenzen brutal zu unterdrücken. Wenn «Sara»,  Tom und Francis zusammen im Auto sind, schickt Francis Tom weg. In der Bar erfährt Tom etwas über Francis, das ihm wohl seine Entscheidung, den Bauernhof definitiv hinter sich zu lassen, erleichtert. So ist es letztlich Francis‘ Nichteingestehenwollen seiner eigenen Homosexualität, die Tom vor weiterer Brutalisierung und weiterem Unglück rettet.

«Tom à la ferme». Kanada/Frankreich 2013. Regie: Xavier Dolan. Mit Xavier Dolan, P-Y Cardinal, Evelyne Brochu, Lise Roy u.a. Deutschschweizer Kinostart: 31.7.2014.


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