gesichtet #112: Die Fratzen der Stadt (Teil 2)
Von Michel Schultheiss
Zwei hämisch grinsende Gesellen empfangen den Passanten. Sie scheinen sich wohl über die mittlerweile tote Beiz Efringerhof lustig zu machen. Ganz anders sieht’s ein paar Häuserzeilen weiter vorne aus: Dort sind zwei Klagende zu sehen. Der eine ähnelt dem sezierten Ausserirdischen von Roswell, der Gesichtsausdruck des anderen erinnert an die Faxen einer Person, die man bisweilen im Lesesaal der Uni-Bibliothek sieht – ein Herr, der jeweils lauthals über seinen Bücher seufzt und dabei das Gesicht so verzieht. Vielleicht ist den beiden steinernen Kerlen das Resultat beim Live-Spiel in der Fussballkulturbar «Didi Offensiv», deren Eingang sie zieren, missfallen.
Nicht nur in der Basler Innenstadt machen die kürzlich beschriebenen Maskaronen die Gegend unsicher. Auch rund um die Feldbergstrasse sind die mit bizarren Visagen auszumachen. So werden der Efringerhof und das Restaurant «zum Erasmus» (der alte Name, welcher bei Didi Offensiv noch immer zu lesen ist) von solchen Fratzen bewacht.
Der Trend, um 1900 wieder auf diesen ungewöhnlichen Fassadenschmuck zu setzen, ist somit auch bei diesen beiden Gebäuden von Eduard Pfrunder (1877-1925) zu finden. Der Basler Architekt hatte sichtlich ein Faible für Neobarock, Neogotik und Jugendstil. Wie im «Architektenlexikon der Schweiz» von 1998 zu lesen ist, schuf er zusammen mit Ulrich Hammerer anno 1899 die Sichtbacksteinhäuser an der Offenburgerstrasse. An der Ecke Drahtzug- und Hammerstrasse hinterliess er auch ein imposantes Jugendstil-Mehrfamilienhaus.
Das Wohnhaus mit Restaurant an der Ecke Feldbergstrasse/Efringerstrasse ist auf 1901 datiert. Die beiden Zahnlücken-Maskaronen zierten den Eingang der ehemaligen Quartierbeiz Efringerhof, anschliessend eine Tapas-Bar. Die andere «Fratzenbeiz», das Erasmus-Haus gleich Breisacherstrasse, folgte später. Das Gebäude wurde laut Architektenlexikon 1910 von Eduard Pfrunder errichtet.
Auch im Grossbasel hat Pfrunder Spuren hinterlassen: So etwa das «Hotel zur Blume» und das Wohnhaus «zum Stern» von 1909 bei der Schifflände. Es mag nicht erstaunen, dass auch dort – unter dem Torbogen – ein Steinkopf zu finden ist. Dieser schneidet allerdings keine wirren Grimassen: Es ist lediglich ein bärtiges Konterfei, dem auch Florian Schächteli und sein Kollege Heugumper im bereits erwähnten «Määrli vom Zwäärg» von Peter Baumgartner begegnen. Der Stadtkeller gleich gegenüber,trägt ebenfalls die Handschrift vom besagten Architekten. Reben schmücken dort die Fassade. Wer aber genau hinschaut, kann auch dort einen Kopf ausmachen: Ein kindliches Wesen, vielleicht eine Darstellung von Bacchus, hält dort genüsslich Weintrauben in der Hand.
Weshalb nun die markanten Fratzen all diese Restaurants zieren, ist nicht bekannt. Womöglich mag es mit Eduard Pfrunders Vorliebe für neobarocke Elemente, zu denen auch die Maskarone gehören, zu tun haben. Damit stand er nicht alleine da: Es wimmelt von weiteren solchen Köpfen in der Stadt. Ein paar von ihnen sollen hier später auch mal Erwähnung finden.
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