Abgefahrener Trip nach Korsika – Hélène Cattets «Laissez bronzer les cadavres»
Mit ihrem dritten Spiefilm legen Hélène Cattet und Bruno Forzani ihren wohl bisher abgefahrensten Film vor – und das will etwas heissen! Ihr neues Werk basiert auf einem Roman von Jean-Patrick Manchette und Jean-Pierre Bastid und bietet einen ganz eigenwilliger Blick auf den Thriller.
Die Künstlerin Luce (Elina Löwensohn) und ihr Liebhaber Bernier (Marc Barbe) leben abgelegen auf Korsika. Doch das Idyll wird gestört: durch ihren Mitbewohner, den Gangster Rhino (Stéphane Ferrara). Nach einem blutigen Überfall auf einen Goldtransport bringt Rhino die Gewalt in das kleine Refugium…
Hélène Cattet und Bruno Forzani sind ein Paar, das sich ganz der Filmkunst gewidmet hat. Mit «Amer» und «L’étrange couleur des larmes de ton corps» haben sie gezeigt, dass sie zu den wichtigsten zeitgenössischen Filmemachern gehören: «Amer» und «L’étrange couleur des larmes de ton corps» (der ebenfalls im B-Movie zu sehen war) waren beide vom italienischen Giallo (Horror-Thriller) geprägte, kunstvolle und mehrsprachige Arthaus-Filme und natürlich auch nichts für zarte Gemüter.
Cattet und Forzani ersparen einem nichts, und trotz aller Anlehnung an den Genrefilm – diesmal vor allem der italienische Poliziotto-Film (film poliziottesco) sowie der Italowestern – läuft bei ihnen punkto Plot wie immer nur sehr wenig. Punkto Gewalt ist «Laissez bronzer les cadavres» sicherlich ihr wohl explizitestes Werk. Selbst in Frankreich ist er «erst» ab 12 freigegeben – mit Warnung.
Obwohl Cattet und Forzani in Belgien leben: schon «Amer» hat ihre Vorliebe für den Mittelmeerraum gezeigt. Insofern ist ihr neuer Film – ihre erste Literaturverfilmung – eine Rückkehr zu ihren Wurzeln; und Bruno Forzani wurde an der französischen Riviera, in Menton geboren. Jeder Film des Paars ist eine traumartige Landschaft. Wwer den Film einfach verstehen will und sich den Plot zu Gemüte führen will, sollte wohl wirklich zuerst den Roman von Manchette und Bastid lesen.
Allerdings ist dies wohl nicht unbedingt zielführend: wer Logik will, sollte sich eben nicht in traumartige Gefilde begeben. Das ist bei Robert Altmans «Three Women» (oder einem Lynch-Film, oder auch den Filmen von Quentin Dupieux) nicht anders als bei Cattet und Forzani. Im Traum muss eben gar nicht alles aufgehen.
Die Logik des Traums ist eben eine andere als die des Alltags – oder die des Genrefilms. Cattet und Forzani beziehen sich zwar immer auf den Genrefilm, aber was sie machen, ist im Grunde genommen letztlich eben doch das Gegenteil. Beim Genrefilm soll ja alles verständlich sein, Logik-Löcher sind dort nicht gewollt, sondern basieren meist auf dem Unvermögen der Filmemacher. Davon kann hier keine Rede sein – Cattet und Forzani heisst immer grosse Filmkunst.
«Laissez bronzer les cadavres». Frankreich/Belgien 2017. Regie: Hélène Cattet und Bruno Forzani. Mit Elina Löwensohn, Marc Barbe, Stéphane Ferrara, Hervé Sogne, Bernie Bonvoisin, u.a. Premiere am 23. August 2018 im Basler Filmclub B-Movie.
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