gesichtet #156: Ein ausgestorbenes Altersheim im Auenland

Von Michel Schultheiss

Beton. Graffiti. Trauerweiden. Gähnende leere in den Trakten, in denen einst bis zu hundert Menschen ihren Lebensabend verbrachten.

Ein leeres Pflegeheim. Und dies in einer der Schweizer Gemeinden mit dem höchsten Altersdurchschnitt. In der Tat gibt’s das in Riehen – und zwar schon seit über einem Jahr.

Wenn in einer der «ältesten» Gemeinden das Altersheim menschenleer ist (Foto: smi).

Der Gebäudekomplex findet sich mitten «in der Au». Die Gegend ist besser bekannt als «Autäli». Wer nun an Tolkiens Hobbitdörfer denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Auch Riehens «Auenland» ist so etwas wie idyllisch-biederer Spielplatz, gesäumt von Familiengärten und Biotopen. Lamas tollen hier rum, in den Teichen lauert die Ringelnatter den Wasserfröschen auf. Vom Inzlinger Wald her plätschert der Aubach das Tal, um weiter vorne unter dem Boden zu verschwinden.

Mitten im «Autäli» findet sich die verlassene Betonlandschaft. Geisterhäuser gibt’s also nicht nur an der Rheingasseim Industriegebiet oder auf der Bischoffhöhe, sondern auch dort, wo man sie wohl am wenigsten vermutet. Zwischen den Trauerweiden spaziert niemand mehr, die Reiher-Skulpturen auf der Wiese sind längst verschwunden.

Endzeitstimmung: Menschenleerer Gebäudekomplex mit Trauerweiden (Foto: smi)

Die Szenerie mag heute ein wenig trostlos und fast ein bisschen traurig aussehen. Die Geschichte dahinter ist halb so wild. Anno 1967 eröffneten vier Freimauerlogen das Alterspflegeheim Humanitas. Ein halbes Jahrhundert war für die in die Jahre gekommene Einrichtung die Zeit gekommen. Die Institution zügelte mitsamt ihren Bewohnern in einen Neubau im Rauracher. Im September 2017 kam es zu dieser grossen logistischen Herausforderung.

Auch der neue Ort hat eine ungewöhnliche Vorgeschichte. Am Rüchligweg befanden sich einst Notwohnungen. Diese standen vor dem Abbruch eine Zeit lang leer. Dies blieb nicht unbemerkt. An einem Herbstwochenende im Jahr 2009 ging’s dort turbulent zu. Mehrere Tausende strömten während zwei Tagen in die verlassenen Gebäude, um dort eine «Village Sauvage» zu feiern.

Die Bäume auf dem alten Humanitas-Gelände wurden in Riehen gar zum Politikum (Foto: smi).

Nun aber zurück ins Autal. Nun sind es nicht die Not-, sondern die Alterswohnungen, die mutterseelenallein stehen. Zu einer «Village Sauvage» kam es hier nicht. Wohl aber wurde die verlassene Anlage tatsächlich zu einem Politikum. Immobilien Basel-Stadt schreibt die Parzellen zum Verkauf aus. Bald droht den Heimflügeln die Abrissbirne. Sie sollen neuen Ein- und Zweifamilienhäusern weichen.

Dies rief die Nachbarn auf den Plan. Wie die «Riehener Zeitung» berichtete, bangen sie um die prächtigen Bäume des Humanitas-Gartens. Mit dem selten genutzten Instrument der Volksanregung machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam. Schliesslich befasste sich der Einwohnerrat im Juni 2018 damit. Die Volksanregung gilt als erledigt, doch in einem Kompromiss einigte sich der Gemeinderat mit den Eigentümern, dass zumindest ein Teil der Bäume stehen bleibt. Bevor hier also gebaut wird, präsentiert sich hier auf unbestimmte Zeit ein Bild der Endzeitstimmung: Ausgestorbene Betonleiche trifft auf Vorstadtidylle

2 Gedanken zu “gesichtet #156: Ein ausgestorbenes Altersheim im Auenland

  1. Ursula Kissling

    Eine traurige Angelegenheit. Das nur wegen der Rot Grünen Regierung die immer mehr Vorschriften macht. Gerade eben wieder mit der unmöglichen Umbaubewilligungen für Kontrolle günstigen Wohnraum. Und eben dieses Altersheim hätte noch lange den Diensten der Aelteren genügt. Wer will denn die künftigen teuren Kosten eines Aufenthaltes im APH noch bezahlen – wir Steuerzahler- Im übrigen ist die Gemeinde Riehen die Gemeinde mit den meisten aelternen Personen.


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