Von der Komödie zum Drama im Kalten Krieg – Miia Tervos «The Missile»
Zuerst skurrile Komödie, dann Drama: «The Missile» überzeugt mit 80er-Jahre-Grooves und viel Lokalkolorit. Miia Tervo erzählt die Geschichte einer jungen Mutter in Lappland, die sich vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs in Finnland von ihrem gewalttätigen Mann und ihrer Familie emanzipieren muss.
Der gewalttätige Mann ist im Gefängnis; Niina muss sich alleine um ihre Kinder kümmern und ihr Leben meistern. Bei einem Unfall entsteht ein grosser Sachschaden, den sie auf der Redaktion einer Lokalzeitung in Lappland abarbeiten muss. Doch weder ihre Familie noch ihr neuer Chef glauben an sie … Nach dem Absturz einer russischen Rakete in einem See in der Nähe glaubt sie, dass sie für die Zeitung einen grossen Scoop landen kann.
Mit dem Heissen Krieg in der Ukraine ist der Kalte Krieg heute wieder präsenter denn je. Miia Tervo erzählt eine Geschichte aus der Zeit des Kalten Krieges, in der es aber vielleicht doch noch mehr um eine junge Frau und ihren Kampf um Anerkennung geht. Denn weder ihre Familie noch ihr Chef glauben an sie; ihr Mann steht auch für eine Gesellschaft als Ganzes, die wenig Verständnis für Frauen hat. Ihre Beziehung zu einem Militärangehörigen scheint ebenfalls zum Scheitern verurteilt.
Der Film beginnt zwar als Komödie, doch die Realität ist eben nicht immer lustig, und so wird der Film bald schon zum Drama, in dem der Humor höchstens noch in homöopathischen Dosen erscheint. Dies mag irritieren, ist aber angesichts der schwierigen Themen – von der häuslichen Gewalt bis zur Weltpolitik – nur konsequent. Und da der Film in den 80er-Jahren spielt, ist es vielleicht einfacher, den Finger auf wunde Punkte zu legen.
Der Film basiert auf wahren Begebenheiten – der Crash der Rakete 1984 ist wirklich passiert. Miia Tervo hat auch das Drehbuch geschrieben; offenbar war es eine Geschichte, die sie neu erzählen wollte und mit dem Leben einer jungen Frau hoch oben im Norden verbinden. Neben dem Finnischen ist auch die Sprache der Saami zu hören. Für Lokalkolorit ist also gesorgt. Wer sich für den Norden interessiert, darf diesen Film nicht verpassen. Auch Fans der 80er-Jahre dürfen sich auf einige musikalische Erinnerungen freuen.
«Ohjus». Finnland/Estland 2024. Regie: Miia Tervo. Mit Oona Airola, Hannu-Pekka Björkman, Tommi Korpela u. a. Deutschschweizer Kinostart am 12. Dezember 2024.