gesichtet #83: Keine Strassenkreuzung wie jede andere
Von Michel Schultheiss
Anker-Bier für einen Stutz gibt Freude am Leben: Es kommt selten vor, dass Schlagzeilen über Cervelat-Prominenz derart gut mit einer Billigbier-Werbung zusammenpassen. Möglich macht’s der Ambassador-Kiosk. Zurzeit grinsen etwa in den Vitrinen Kräutermühlen in Totenkopfform dem Passanten entgegen. Die Aktion mit dem günstigen Gebräu aus der roten Dose, das vom berühmten Sitzbank am Claraplatz wie auch von Kellerpartys nicht mehr wegzudenken ist, besteht nicht mehr, kann aber jederzeit wieder kommen.
Es ist naheliegend, dass sich dieser Kiosk an einem besonderen Ort befinden muss: Wo die Klybeck- auf die Feldbergstrasse trifft, gibt’s einiges zu sehen. Die Kreuzung zeichnet sich schon seit Jahren durch eigenwillige Läden aus. Noch immer schlummert etwa gleich vis-à-vis von diesem Kiosk das bläulich schimmernde Software-Geschäft. Schon vor einiger Zeit war an dieser Stelle die Rede davon. Der Laden glänzt aber noch immer «in alter Frische»: Das Windows-98-Handbuch in den Schaufensterauslagen verleiht dieser Ecke weiterhin einen besonderen Reiz.
Gleich gegenüber befindet sich auch die Lady Bar, die immer wieder in anderen Zusammenhängen für Schlagzeilen sorgte. Irgendwie war das Gebäude, welches das Lokal beherbergt, schon alles, was man überhaupt sein kann: Puff, Asylunterkunft, Quartierbeiz und Trend-Club. Im Juni zog die Bar den Zorn auf sich: Nach der gewaltsamen Räumung des Hafenplatzes entlud sich die Wut auf die Zwischennutzer von Shift Mode, die auch dieses Lokal führen, so dass die Leuchtreklamen, welche noch aus der Kontaktbarzeit stammen, daran glauben mussten. So ist es geblieben: Zertrümmerte Scheiben erinnern noch heute an das Ende von Uferlos und die nachfolgende Demo in der Stadt. Bisweilen stecken Bierdosen in den aufgebrochenen Glaskasten für die Aussenreklame.
Die drei genannten «Läden» machen deutlich, dass hier zwei ungewöhnliche Strassen aufeinandertreffen. Punkto Ladenangebot und Entwicklung gehören sie wohl zu den interessantesten Gegenden Basels. Mit einer überdurchschnittlich hohen Anzahl an Brautkleider- und Trödelwarenläden sowie mit zahlreichen Cafés, Bars und speziellen Geschäften können es die beiden Strassen locker miteinander aufnehmen.
Die Klybeckstrasse hat etwa einiges zu bieten: Von verrauchten Spunten wie das «Klybeckstübli» bis zum veganen türkischen Imbiss Vegitat Çiğköfte gibt’s eine breite Palette. Dominikanische Coiffeursalons, in denen auch noch zu später Stunde die Post abgeht wie in eine Kneipe, das bis vor Kurzem noch existierenden, meist scheintote «Café Flipper Chez Erica», die vielversprechende «Bunga Bunga Bar» in direkter Nachbarschaft zum widerständigen Kulturbetrieb «Off» und schliesslich noch das Mohrenloch, das hier auch schon ein Thema war, wären hier nur als Beispiele zu nennen.
Die Feldbergstrasse kann da gut mithalten: Der Hochzeitskleiderladen mit den zerstümmelten Schaufensterpuppen, die Wäscherei mit den selbstgebastelten Aushängeschildern, der Demenzladen, der beliebte Dönerimbiss «Isbilir», der umstrittene Kampfsport- und Kleiderladen «Power Zone» und der Feldberg-Kiosk, wo bis vor drei Jahren noch die «Provisorische Tramhaltestelle» als kulturelles Piratenschiff ankerte, sorgen hier für Gesprächsstoff. Des Weiteren gibt’s Bar an der Ecke zur Müllheimerstrasse, die anscheinend ständig den Pächter wechselt, den Laden mit den vielen Rollkoffern und die Buchhandlung Özgür, die mal noch als eine der wenigen Geschäfte Musikkassetten in den Schaufensterauslagen führte.
Andere Buden sind mittlerweile Geschichte, so etwa der Tattoo-Shop, in welchem ein Totenkopf kurze Wartezeiten versprach, ebenso das mysteriöse «Kafffi zem Waijebläch», das scheinbar kaum je geöffnet war. Auch die Agora Bar warf bekanntlich das Handtuch, nun sieht’s mit «El Fogón» karibisch aus. Dafür gibt’s aber weiterhin Plattenladen Platfon und seit Neustem die neue Fussballkulturbar «Didi Offensiv». Gleich gegenüber von den grinsenden Fratzen des ehemaligen «Erasmus» befindet sich als weitere Beiz der «Stänzler», der stets seine originellen Monatsmenüs wie «Bebbi-Flitzer mit Kartoffelsalat» ausschildert.
Schon in einem Jahr wird diese Aufzählung zu aktualisieren sein, sind die beiden Strassen einer stetigen Veränderung unterworfen. Dass die Gegend um die besagte Strassenkreuzung immer mehr aufs nächtliche Barleben umgesattelt hat, führte letztes Jahr auch schon zu Spannungen zwischen Wirten und älteren Anwohnern. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die beiden Strassen in den nächsten Jahren einschlagen werden. Ziemlich sicher dürfte der legendäre Softwareladen an der Klybeckstrasse als Urgestein dieser Kreuzung dann noch weiter bestehen.
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Da war ich doch grad erst (und da ich selbst in Zürich Langstrasse wohne war das ein Tipp von ener kleinen Welt in eine andere klene Welt ;) )