Zwei Jahre «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012»

«Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» ist seit zwei Jahren online. Zwei Jahre «Zeitnah», das heisst zwei Jahre Kulturtext und Textkultur mit Leidenschaft. Entdecken Sie hier eine Zusammenstellung von besonders lesenswerten Texten.

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«Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» feiert das zweijährige Bestehen. Seit zwei Jahren stehen wir für Kulturtext und für Textkultur, für auf- und anregende Beiträge, Essays, Kolumnen, literarische Texte und für vieles mehr.

 

 

«Zeitnah» steht für Kultur aus verschiedenen Blickwinkeln, mit Herzblut statt mit Pressetexten. Lebendige, abwechslungsreiche Kulturberichterstattung – und das notabene in Zeiten, in denen von allen halb tot gesparten Zeitungsressorts die Kultur am meisten Federn lassen muss. In einem solchen Umfeld hat ein textlastiges Online-Medium wie unseres etwas Anachronistisches: zwitschern es nicht eh längst alle von den Dächern, wurde es nicht längst getimelined, gelisticled, verbloggt und verwurstet? Klar. Trotzdem behaupten wir unverbesserlich:

Es ist auch und gerade im Netz Platz für anspruchsvollen Kulturtext und für anspruchsvolle Textkultur!

Aufregende Neuigkeiten gehen einher mit unserem zweijährigen Jubiläum. So starten wir Mitte Oktober mit einer neuen literarischen Sparte. Nur so viel:

Kamera, Mikrofon, Manuskript, Romana Ganzoni.

Alles Weitere auf diesen Seiten. Am 18.10. um 9:00.

Bis es so weit ist, und weil so viele lesenswerte Texte erschienen sind in zwei Jahren «Zeitnah», hier eine völlig unverbindliche Zusammenstellung lesenswerter Texte. «Zeitnah» glänzt ja regelmässig mit Texten verschiedenster Autorinnen und Autoren. Jede Auswahl geht auf Kosten weiterer, ausserordentlicher Texte, die es ebenso verdient hätten, erwähnt zu werden.

Ein ausgiebiges Stöbern auf den entsprechenden Seiten sei hier noch einmal mit Nachdruck empfohlen. Es lohnt sich.

Einer der besten Gründe, «Zeitnah» anzusteuern und als Bookmark zu speichern: unser Kinoexperte Niklaus Schäfer. In seinen wöchentlichen Filmkritiken schafft er Orientierungshilfe im cineastischen Universum, geht den neusten Produktionen mit enormen Hintergrundwissen auf die Spur oder freut sich wie der Häftlimacher über das neue Basler Indepent-Kino B-Movie.

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Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012». Besonders lecker: die Kino-Rezensionen.

Wie sich ein harmloser Gourmet-Ausflug in eine groteske Verwirr-Fahrt zwischen Sein und Schein verwandelt, zeigt die Ingeborg Bachmann-Preisteilnehmerin und regelmässige Zeitnah-Autorin Romana Ganzoni in ihrem Text «Der Dachs».  Wer von dieser Lektüre neugierig wird und mehr wissen will über Romana Ganzoni, dem sei ihr «Fragebuch» ans Herz gelegt.

Die Leidensnähe und Reibung zwischen Literatur und Welt und Geld zeigt Michael E. Graber in seinem zooglogischen Vortrag «Die Märkte». Sein Text zeichnet ein seltsames Tier namens Märkte, eloquent, elegant, satirisch. Grabers Schreibe ist unbedingt lesenswert – wo sonst lesen wir solche Sätze:

«Die einzigen natürlichen Feinde des Marktes sind nach neuesten Erkenntnissen zum einen der gesunde Menschenverstand, der jedoch in weiten Teilen der Welt als ausgestorben gilt, und zum anderen, wenn auch in geringerem Masse, der Anstand, der sich jedoch meist vornehm zurückhält.»

Ein weiteres Glanzstück aus Michael E. Grabers Feder ist sein Text «Mein Leben als Schimmelpilz». Ohne gleich einen roten Faden behaupten zu wollen: Ebenfalls mit den seltsam-merkwürdigen Aspekten dieser mehlartig-flockig-rasigen, flauschig-eklig-unvermeidlichen, weisslich-grünlich-schwärzlichen Alltagsbegleiter setzt sich Daniel Lüthi in seinem Text «Der Wald» auseinander.  Auf eine Exkursion in die Unterwelt an der Grenze des Fantastischen nimmt uns der Zeitnah-Mitgründer und -Redaktor Daniel Lüthi in seinem Text «Der Durchbruch» mit. Wem diese vom Autor auch schon auf dem Basler Hafenplatz vorgelesene Geschichte zu wenig unheimlich ist, kann gleich seinen Zombie-Essay «Der Reiz der Vergänglichkeit» lesen. Ein Thema, das Daniel Lüthi auch in verschiedenen weiteren seiner «Zeitnah»-Texte behandelt.

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Wenn die Bücher träumen, müssen sie ja auch irgendetwas tun! (Foto: Lucian Hunziker)

Auch Miriam Suter präsentiert in ihrer Kurzgeschichte «Jeannot und Stella» die Welt aus einer nichtalltäglichen Perspektive: Tauben fliegen eben nicht nur auf, sie machen auch Dreck und beobachten uns Menschen. Oder ist alles ganz anders?

 «Meinst du das ernst?» fragte Serge und schüttelte seine bunten Federn, bevor er sich mit dem Schnabel über den rechten Flügel strich, um ihm noch etwas mehr Glanz zu verleihen.

Andy Strässle, der «Zeitnah»-Mitgründer und -Redaktor, zeigt in seiner verstörenden Kurzgeschichte «Vor der Tischlerei», wie unheimlich leise, fast geräuschlos, auch ein langes, gemeinsames Leben zu Ende gehen kann. Nebst zahlreichen literarischen Geschichten zeichnet Andy Strässle auch für die neuen «Zeitnah»-Videos verantwortlich (etwa für die bald startenden Video-Lesungen), aber auch für wunderbare Porträts wie jenes über die tragische Figur Billie Holiday.

Gute Texte in Serie

Neben den sonntäglichen literarischen Texten wartet «Zeitnah» auch mit Fortsetzungsgeschichten auf. So zeigt Stefan Buttliger mit seiner seiner berührenden Fortsetzungsgeschichte «Mein erster Freund unter den Toten» in fünf Teilen die Freundschaft zwischen Lebenden und Verstorbenen auf.

In 42 Teilen zeigt «Zeitnah»-Mitgründer und -Co-Chefredaktor Gregor Szyndler, wie einem Schönheitschirurgen alles so Skalpell wie Säge wird: «Das weiterungsvolle Erblühen des Motorsägenbesitzers Hans Bissegger: Ein bürgerliches Dauerspiel» ist zwar nicht eben der handlichste, aber der einzig griffige Titel für diese Fortsetzungsgeschichte, die mit poetischen ebenso wie mit ausfällig-derben, mit grenzessayistischen wie mit (scheinbar?) recherchierten Passagen und Episoden aufwartet, mit Tagebuch, Fussnoten und Fotos und Scans ein Leben aufrollt und ans Ende (an den Anfang?) führt. Ebenfalls lesenswert ist Gregor Szyndlers Interview «Den Widerstand der Welt erfahren» mit dem preisgekrönten Schriftsteller Jonas Lüscher oder der Zeitenhieb auf die unzähligen Feuilleton-Ergüsse über die Generation Y.

Zu den beliebtesten Gefässen von «Zeitnah» gehört die Fotokolumne «gesichtet», die der «Zeitnah»-Mitgründer und -Co-Chefredaktor Michel Schultheiss jeden Freitag beisteuert. Egal, ob lokale Geheimagenten, Geisterhäuser oder gespenstische GassenStadtunikate oder sonstige Phänomene, die der Stadt ihren Charakter geben: in der Rubrik «gesichtet» kombiniert Michel Schultheiss fotografische Fundstücke mit Reflexionen und verdichtet beides zu spannenden Text-Bild-Essays. Neben der Bild-Text-Kolumne traf er aber auch schon Martín Serrano Herrera, einen der am meisten verfolgten Journalisten Mexikos, der ihm von seinem gefährlichen Schreiben erzählte. Sein Text wurde international viel beachtet.

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Ein prominenter und zufriedener Zeitnah-Leser: Dimitrios, der geheime Agent aus der Rubrik «gesichtet» (Foto: smi).

Mit auf ein mit Text, Bild und Ton ebenfalls im schönsten Sinne multimediales Abenteuer nehmen uns die Gedichte von «projekt wort:rausch» mit. Dabei steht der Name Pate für eine Poesie, die zielahnend den verlassenen Orten der Sprache nachforscht, die den leisen Rausch von Klang und Schriftbild zelebriert – dem Grundrauschen der Sprache auf der Spur.

 

 

Wer von diesen Zeilen und Tönen neugierig wird, dem sei das «projekt wort:rausch»-Fragebuch ans Herz gelegt und die wundervolle Seite des Projekts empfohlen.

Begegnungen, Entgegnungen

Eine Bereicherung von «Zeitnah» sind die Texte von Anna Ospelt. Besonders lesenswert sind ihre Begegnungen mit der Schriftstellerin Judith Hermann und mit dem slowenischen Schriftsteller Aleš Šteger.

Tagesaktuell und dennoch weit über den Tag hinaus gültig ist der «Zeitnah»-Schwerpunkt zum «Bloomsday». In diesem Rahmen wurde der unvergleich-unvergängliche James Joyce aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Da ist einmal der schwärmerisch-lakonische Text «In den Provinzen des All-Tags» von dem bekannten Schriftsteller und regelmässigen «Zeitnah»-Mitarbeiter Dominik Riedo, dessen Fazit zu dem Jahrhundertwerk lautet:

«Viel weniger kann auf tausend Seiten nicht passieren.»

Um eines von Joyces Frühwerken, die fabulösen Kurzgeschichten «Dubliners», kümmert sich der auf beiden Seiten des Atlantiks publizierende Uni-Basel-Dozent, Gitarrist, Poet, Songwriter Andrew Shields. Er widmet sich den Sollbruchstellen der Texte, die so schnell überlesen sind, und die doch, einmal geortet, immer tiefer in die Tiefe reissen.

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Wo Limmat und Sihl zusammengehen, befindet sich einer von James Joyces liebsten Plätzen in Zürich. Ob er hier die eine und andere Kommasetzung bedachte oder in Träumereien driftete? (Wikimedia)

«Zeitnah» bringt immer wieder auch erstaunliche Texte aus den weniger zu erwartenden Regionen des Alltags. So hat Linda Mülli die Wiender Dumpster-Szene bei ihren nächtlichen Beutezügen begleitet. Einer unter Phil-1ern paradigmatische Frage werfen Silvia Flubacher  und Mirco Melone in ihren Essays auf:

«Wozu soll Geschichte dienen?»

Die beiden kommen zu unterschiedlichen Schlüssen. Silvia Flubachers Essay führt zu einer pointierten Entgegnung von Mirco Melone. Für lustvolle, alltagsverankerte Auseinandersetzungen mit ihrem Studienfach steht auch die freie «Zeitnah»-Mitarbeiterin Tanja Hammel. In ihrem Text «Intransparente Privatisierung des Wissens» äussert sie sich engagiert und kritisch zur «offenen» Informationspolitik grosser wissenschaftlicher Verlage.

Zwei Jahre «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» – Hemingway macht's vor. Was ins Glas. Musik! Musik!

Zwei Jahre «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012» – Hemingway macht’s vor. Was ins Glas. Musik! Musik!

Auf der Grenze zwischen Essay und belletristischen Formen und Formeln bewegt sich der deutsche Autor, Schreib-Dozent und freie «Zeitnah»-Mitarbeiter Jan Decker in seinen Texten: zum Beispiel in seiner Rezension «In der Vorhölle des Textes» zu Kurt Drawerts gelinde gesagt seltsamem Handbuch «Schreiben: Vom Leben der Texte».  Daneben zeigt der erfolgreiche Schriftsteller aber auch weniger bekannte Seiten von sich, und er glänzt mit einem lustvoll beantworteten «Fragebuch».

Auch die alltägliche Sorgen und Freuden an der Uni werden in bei «Zeitnah» in Lesestoff verwandelt: Die Kolumnistin Tante Étudiante geht geht lustvoll den Problemen des Studienalltags nach.

Das sind nur ein paar wenige Highlights aus den ersten zwei Jahren «Zeitnah». Wir möchten uns bei allen Gastautorinnen und Gastautoren und bei der Leserschaft herzlich für die Unterstützung bedanken und freuen auf weitere «Zeitnah»-Jahre mit spannenden Beiträgen. Weil das Netz jetzt ist. Auf bald. Online. Oder im Druck.

Andy Strässle, Daniel Lüthi, Gregor Szyndler, Michel Schultheiss

 

2 Gedanken zu “Zwei Jahre «Zeitnah: Kulturmagazin seit 2012»


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