Bareback Lake – Alain Guiraudies «L’inconnu du lac»

Franck hat einen neuen Lieblingsort gefunden – die andere Seite des Sees, an dem sich die Schwulen treffen. Dort lernt er den übergewichtigen Henri kennen, für den er sich zwar sexuell nicht interessiert, mit dem er sich aber gerne austauscht. Henri ist eine Art Relikt aus einer Zeit, in der es noch undenkbar war, offen schwul zu leben und doch eine klar männliche Identität zu pflegen. Franck (Pierre Deladonchamps) verliebt sich in den schnauzbärtigen Michel (Christophe Paou), einen echten Draufgänger. Nachdem im See eine Leiche aufgetaucht ist, interessiert sich auch Inspektor Damroder (Jérôme Chappatte) für Michel…

zVg

Am Brokeback Lake ist nicht immer alles so wie es scheint… oder doch? (Foto zVg).

«L’inconnu du lac» ist in einem gewissen Sinne ein Thriller, aber weit entfernt von einem Genrefilm. Eher zeigt Guiraudie einen schwulen Mikrokosmos und kritisiert dabei auch – mehr oder weniger offen – gewisse Entwicklungen in der Szene. Es ist eine Welt, die weit entfernt ist von Henris bürgerlicher Welt, die er nun wohl – nach einer Scheidung – zumindest teilweise hinter sich gelassen hat. Der Umgang mit dem Sex ist ein ganz anderer als in der bürgerlichen Welt – oder vielleicht auch nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Figur des Voyeurs Eric, der sich immer einen runterholt, während er andere Paare beim Sex beobachtet. Dieser Typ – man sieht sein Glied allerdings bezeichnenderweise nie (bzw. nur schlecht)  – ist zwar immer ganz am Puls des Geschehens, und trotzdem – wahrscheinlich, weil er nicht gerade den Schönheitsidealen entspricht – ganz ausgeschlossen. In einem gewissen Sinne ist er eine andere Inkarnation des Aussenseiters Patrick; anders als Patrick sucht er aber wohl nicht das Gespräch, sondern scheint doch über eine verblüffende – oder vielleicht auch ganz normale – Libido zu verfügen. Anders als in William Friedkins «Cruising» hat hier das Gesetz – dargestellt durch den Kommissar – einen ganz anderen Stellenwert; das hängt einerseits damit zusammen, dass der Regisseur selber homosexuell ist, aber auch damit, dass Schwulsein heute – gerade auch in Frankreich allen Protesten von katholisch-konservativer und faschistischer Seite zum Trotze – einen doch ganz anderen Stellenwert hat als noch in den 70er und frühen 80er Jahren. «L’inconnu du lac» ist dabei aber durchaus auch ein kritischer Mahnruf. Und der Mahner ist ausgerechnet der Inspektor, der aber nie homophob daherkommt, sondern eher als Helfer in der Not. Von ihm geht sicherlich keine Gefahr aus. Und anders als Al Pacino in William Friedkins Film ist er auch nicht undercover unterwegs. Vielleicht allerdings dann doch aus mangelnder Vorsicht…

«L’inconnu du lac»  Frankreich 2013. Regie: Alain Guiraudie. Mit  Patrick Deladonchamps, Christophe Paou, Patrick d’Assumçao, Jérôme Chappatte u.a. Deutschschweizer Kinostart: 19.9.2013.


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