Tainted Love?
Ben Wheatleys neuer Film ist eine rabenschwarze britische Komödie, wie man sie noch nie gesehen hat.
Tina (Alice Lowe) und Chris (Steve Oram) sind ein zwar nicht glamouröses, aber doch sehr sympathisches, nicht mehr ganz junges Paar. Wie zwei Teenies erkunden sie Tinas Zimmer im Hause von Mutter Carol (Eileen Davies). Da Chris ein unverbesserlicher Geek ist, machen sie eine Reise nach Yorkshire, komplett mit Wohnmobil. Sie besuchen die langweiligsten Museen der Welt – und lernen neue Leute kennen, die sie aber eigentlich gar nicht kennenlernen wollen. Schliesslich findet Chris aber in Ian einen Seelenverwandten. Inspiriert von Chris und seinem – gelinde gesagt – unorthodoxen Umgang mit Konflikten macht nun auch Tina kurzen Prozess mit dem Übergeek Chris…
Am Anfang des Films hören wir «Tainted Love» (1981) in der Version von Soft Cell. Die 80er-Jahre passen zu Chris und Tina, denn in einem gewissen Sinne sind beide Relikte aus einer vergangenen Zeit. Mutter und Tochter leben zusammen, mehr schlecht als recht, ganz klar, und wir gönnen Tina den Ausbruch aus diesem Mief. Und Tina ist ja auch absolut nett, und im Stricken hat sie eine Tätigkeit gefunden, die ihrem Temperament entspricht. Doch Chris ist unzufrieden: Er leidet unter Schreibstau. Oder hat er überhaupt je auch nur eine Zeile freiwillig geschrieben? Wir wissen es nicht. Klar ist: Er muss seine Kreativität anders ausleben. Aber welche Kreativität? Am Schluss hören wir die klassische Northern-Soul-Version von «Tainted Love» (von Gloria Jones, 1965) und wir wissen: Es ist nicht Liebe, sondern die Leere, die Tina und Chris verbindet. Nicht tiefe Gefühle, sondern eine erschreckende Banalität des Bösen schlummert in ihrer «Tainted Love», ihrer «verdorbenen» oder «unreinen» Liebe.
«Sightseers». UK 2012. Regie: Ben Wheatley. Mit Alice Lowe, Steve Oram, Eileen Davies u.a. Deutschschweizer Kinostart: 28.2.2013.
- Im Ruhm ertrinken – Andy Strässle
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