Aleph oder Hakenkreuz

Zwei amerikanische Filme über Neonazis, «American History X» und «The Believer», haben für Kontroversen gesorgt. Vielleicht zu Unrecht, denn beide Filme versuchen, mit viel Einfühlungsvermögen die Psyche des Rechtsradikalen zu durchleuchten.

Tony Kayes aktueller Film, «Detachment», ist jetzt im Kino zu sehen. Viele der Themen aus seinem neuen Film hat er bereits in «American History X» (1998) vorweggenommen: der mangelnde Respekt gegenüber dem Lehrkörper etwa: in «American History X» hat die Mutter der Brüder Derek und Danny eine kurze Beziehung zum Geschichtslehrer Murray (Elliot Gould); für Derek ist der Mann also sowohl Nachfolger seines Vaters als auch Vertreter der verhassten linksgerichteten Lehrerschaft. Es kommt zum Eklat. Der Vater, ein Feuerwehrmann, ist in einem Brand umgekommen. Derek sieht in den afroamerikanischen Kollegen seines Vaters die Schuldigen. Im Gefängnis schwört Derek aber dem Neonazismus ab und kommt als geläuterter Mann zurück.

In «The Believer» von Henry Beam steht Neonazismus im Zentrum. Auch hier gibt es ein älteres Mastermind (bzw. zwei Masterminds in «The Believer»: Lina Moebius und Curtis Zampf), das versucht, den jungen Rechtsradikalen zu manipulieren. Doch hier gelingt dies kaum; Danny Balint (Ryan Gosling) hat dafür zu viele eigene Ideen. Balint ist selber Jude, aus Selbsthass ist er aber zum Neonazi geworden, der seine jüdische Identität verheimlichen muss. Sein Plan: Juden umbringen. Erstes Opfer ist der bulgarischstämmige Geschäftsmann Ilio Manzetti. Doch Danny hat eigentlich ganz andere Sorgen: er ist in die Carla (Summer Phoenix), die Tochter der Rechtsradikalen Lina Moebius (Theresa Russel) verliebt, doch diese ist noch in einer anderen Beziehung – und, wenn nicht alles trügt, mit Curtis Zampf (Billy Zane), dem Strippenzieher hinter den Kulissen. Da verwundert es auch nicht, dass Lina oft eine Abkürzung von Carolina ist – Mutter (Lina) und Tochter (Carla) haben also – etymologisch gesehen – denselben Namen. Und Dannys Schwester heisst Linda.

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Aus Selbsthass ist er aber zum Neonazi geworden: «The Believer» (Foto zVg).

Danny Balints Familie kommt allerdings nur am Rande vor – anders als die Derek Vinyards. Danny schaut zusammen mit seinem Vater eine Komödie mit Dennis Leary; Leary sei lustig, aber nicht wie Onkel Mitch. «He was funny», bestätigt der Vater. Die Schwester Linda nennt ihn nur «he», wie auch Danny hat er jeglichen Glauben an die eigene Kultur verloren. Dieser Glaubensverlust an die wirklichen – jüdischen, christlichen, westlichen – Werte verbindet denn auch Dannys Vater mit Dereks verstorbenem Vater. Linda hingegen lehnt den Nihilismus und Nazismus nach wie vor noch ab, vielleicht ist Dannys Misogynie auch in diesem Kontext zu sehen – auch wenn Misogynie und Antisemitismus – zumindest im modernen, rassistischen Antisemitismus – eng zusammenhängen. Die Wurzeln gehen aber wohl auf mittelalterliche, antijudaische Mythen zurück.

Beide Filme polarisieren. Es ist schwierig, Rassismus zu zeigen, ohne ihn zu verharmlosen – ähnlich wie es schwierig ist, einen Antikriegsfilm zu drehen. Schliesslich tun auch «Full Metal Jacket» und «Apocalypse Now» erwiesenermassen gute Dienste wenn es darum geht, US-Soldaten das Kriegshandwerk näher zu bringen. In beiden Filmen ist es aber letztlich der Selbsthass, die die Menschen zu diesen Wahnsinnstaten treibt: in «The Believer» ist der Neonazi selber Jude; in «American History X» ist die Mutter des Protagonisten mit einem Juden liiert. Sowohl «The Believer» als auch «American History X» sind vielschichtige Filme, vor allem natürlich «The Believer». Im Grunde genommen erzählen beide Filme auch Geschichten des christlichen Selbsthasses: das Judentum als Mutter des Christentums wird von den christianisierten Heiden (frei nach Freud) abgelehnt. Dazu kommt in beiden Filmen auch der zum Antisemitismus vulgarisierte Klassenkampf (frei nach Žižek).

 

«American History X». USA 1998. Regie: Tony Kaye. Mit Edrwar Norton, Edward Furlong, Fairuza Balk, Elliot Gould, Beverly D’Angelo, Stacey Keach, Guy Torry, Avery Brookes u.a.

 

«The Believer». USA 2001. Regie: Henry Bean. Mit Ryan Gosling, Billy Zane, Summer Phoenix, Theresa Russel, Henry Bean, Ronald Guttman, A. D. Miles u.a.


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