In the Name of the Father – Nicolas Winding Refns «Only God Forgives»
Der neue Film des dänischen Regisseurs ist eine brillante, in Blut getränkte Orgie der Rache, in der Ost auf West trifft und ödipale Kräfte zerstörerisch wirken.
Julian (Ryan Gosling) und Billy (Tim Burke) sind zwei Kriminelle und leben in Thailand; der eine ist Auftragskiller, der andere Drogenhändler. Julians Bruder Billy wurde – nachdem er eine minderjährige Prostituierte umgebracht hat – selber Opfer. Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas) will den Killer ihres Lieblingssohns umbringen lassen. Sie hat aber nicht mit Leutnant Chang (Vithaya Pansringarm) gerechnet, der «angel of death» genannt wird. Gegen ihn ist selbst ihre mütterliche Kraft machtlos. In einer Schlüsselszene macht sie Julian Vorwürfe; im Restaurant zusammen mit der Prostituierten May beschimpft sie diese als «yellow nigger» und redet über die Geschlechtsteile ihrer Söhne.
Nicolas Winding Refn hat sich mit Filmen wie «Drive» und «X-Fear» als einer der wohl wichtigsten zeitgenössischen Filmemacher entpuppt. Das Verhältnis zwischen West und Ost, zwischen Mann und Frau, zwischen Verbrechen und staatlicher Gegengewalt – das sind Themen, die Winding Refn, der auch das Drehbuch zu «Only God Forgives» geschrieben hat, abhandelt. Noch mehr vielleicht ist «Only God Forgives» aber eine Meditation über ödipale Verhältnisse: Crystal ist die Mutter, Billy und Julian die Söhne. Lt. Chang übernimmt den Part des (eigentlich abwesenden) Vaters oder vielmehr Übervaters, der die Transgressionen gegen sein Gesetz mit Blut rächt. Es gibt keine Helden in «Only God Forgives», sondern nur Opfer ihrer eigenen Obsessionen (und einige unschuldige Opfer der Obsessionen ebendieser Figuren). Dazu passt es auch, dass Lt. Chang den Vater der getöteten Prostituierten zwingt, den Killer Billy niederzumetzeln. Doch der Vater hat falsch verstanden: nur Lt. Chang – der Übervater – ist legitimer Vollstrecker, deshalb muss auch dieser bezahlen für seine Transgression. «Only God Forgives» ist ein kontrovers aufgenommener und wohl oft missverstandener Film, in dem Ryan Gosling – bereits in Winding Refns «Drive» als Hauptdarsteller mit von der Partie – nach dem eher mittelprächtigen Film «The Place Beyond the Pines» nun wieder in einem echten Arthaus-Streifen der hyperbrutalen Art schauspielern darf. Kristin Scott Thomas, sonst ja meist in eher ruhigen Arthaus-Streifen zu sehen, ist hier kaum wiederzuerkennen als hyperaggressive Mutter. Kurz und gut: ein starkes Stück Kino!
«Only God Forgives». Dänemark/Frankreich 2013. Regie: Nicolas Winding Refn. Mit Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Yayaying Ratha Phingam, Tim Burke, Vithaya Pansringarm u.a. Deutschschweizer Kinostart: 18.7.2013.
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