Under Western Eyes – Angelina Jolies «In the Land of Blood and Honey»

Ajla (Zana Marjanović) und Danijel (Goran Kostić) sind ein Paar. Er ist bosnischer Serbe, sie bosnische Muslimin (also Bosnjakin). Kein Problem im multiethnischen Jugoslawien – doch als der Krieg ausbricht, stehen sie sich als Feinde gegenüber.

Orchestriert von seinem nationalistischen Vater (Rade Sherbedgia) interniert Danijel muslimische Frauen – unter ihnen auch Ajla. Die Wunden des noch nahen Kriegs auf dem Balkan sind noch offen. Gleichzeitig wissen die meisten Menschen im Westen nur wenig über diese Region und ihre Völker. Gerade hat Albanien allen Albanern bzw. Albanischstämmigen im Ausland albanische Pässe versprochen – ausgenommen sind aber notabene Albaner aus Italien, Griechenland und dem Kosovo. In diesem Manöver zeigt sich aber doch ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem westeuropäischen Nationalismus und dem Osteuropäischen: ein Deutschschweizer will keinen deutschen Pass, ein Romand will keinen französischen Pass und ein Tessiner keinen italienischen. In Jugoslawien war es denn verschiedenen Nationen – also der serbischen, der kroatischen, der slowenischen und der muslimischen – sogar zu Titos Zeiten erlaubt, ihre eigenen Wege zu gehen. Zumindest auf Papier.

Zwischen Ajla und Danijel ist nichts mehr wie früher... (Bild: zVg)

Zwischen Ajla und Danijel ist nichts mehr wie früher… (Bild: zVg)

 

Doch gerade über diese Zusammenhänge zwischen Nationalismen sagt der Film dem westlichen Zuschauer nichts – ein Kritiker war gar der Meinung, Ajla sei eine serbische Muslimin (sic). Die absolute Unkenntnis der Völker des Balkans und ihrer Religionen – Serben sind serbisch-orthodox, können also nicht gleichzeitig Muslime sein – wird gerade durch einen Film wie «In the Land of Blood and Honey» in keiner Weise verbessert. (siehe dazu den Artikel «Was bin ich?» von Jean-Arnault Dérens im Monde Diplomatique/Sept. 2013. Er erwähnt darin auch die Goranen, die 1981 noch als Serben muslimischen Glaubens erfasst wurden. Diese Option, so Arnault, existiert heute aber nicht mehr). Angelina Jolie hat mit Michael Winterbottom einen Film gedreht über das Schicksal von Daniel (sic!) Pearl, einen jüdisch-amerikanischen Journalisten, der in Pakistan von islamischen Fundamentalisten umgebracht wurde. Angelina Jolie spielt in «A Mighty Heart» – so der Name des Films – Pearls buddhistische Frau. Winterbottom hat zudem auch einen Film über den Krieg auf dem Balkan gedreht: «Welcome to Sarajevo». Nun gehen natürlich hier wie dort die Meinungen auseinander: ist Winterbottoms Film zu parteiisch? Dieselbe Frage stellt sich auch bei Jolies Film.

An dieser Stelle soll vorerst aber auf die ästhetische Qualität des Films eingegangen werden. Leider ist diese nur (unter)durchschnittlich. Es besteht also der Verdacht, dass Jolie hier weniger als Filmemacherin sondern eher als Botschafterin fungiert. Es muss auch darauf verwiesen werden, dass alle Filme immer in erster Linie auf ihre AutorInnen verweisen und nur in zweiter Linie etwas über die Realität(en) aussagen. Und gerade dort, wo die Meinungen kontrovers sind, ist dies besonders stark spürbar. Filme wie «Life is a Miracle» von Kusturica, «Cirkus Columbia» von Danis Tanović, «Rane» von Srđan Dragojević, «Savior» von Predrag Antonijević und schliesslich auch «Welcome to Sarajevo» und «In the Land of Blood and Honey» sind in erster Linie mehr oder weniger persönliche Visionen, die sich mehr oder weniger decken können mit allgemein anerkannten Vorstellungen. Kusturicas Vision etwa deckt sich wohl eher mit der serbischen, Jolies eher mit der westlichen. Nationalisten jeglicher Couleur werden wohl mit Filmen wie «Cirkus Columbia» ihre Mühe haben. Gerade «In the Land of Blood and Honey» basiert dabei auf einem Drehbuch von Jolie selbst. Sie fokussiert dabei denn auch sehr stark auf das von Frauen erfahrene Leid. Dem Film hätte es aber gut getan, wenn sie diese berechtigte Kritik am Patriarchalismus (und an seinen Auswüchsen im Krieg) nicht so plakativ gestaltet hätte. Und auch wenn wohl viel authentisches Material eingeflossen ist – der Film wirkt nicht nur ziemlich unausgegoren, sondern vor allem auch unausgewogen. Ein westlicher Blick auf den Krieg in Bosnien – mehr kann der Film nicht sein.

Wahrscheinlich wird es in Zukunft einfacher sein, einen unvoreingenommenen Blick auf den (Bürger-)Krieg zu werfen. Regisseure wie Danis Tanović oder Srđan Dragojević oder Jasmila Žbanić haben aber zweifellos bereits bessere Filme zum Thema vorgelegt. Zudem: auch wenn Angelina Jolies Engagement nicht bezweifelt werden soll – sie soll doch lieber die Menschen aus dem Balkan ihre eigenen Geschichten erzählen lassen. Die westliche Sicht auf die Dinge ist ja bereits bekannt. Und – ein guter Film ist «In the Land of Blood and Honey» ja – abgesehen von allen ideologischen Erwägungen – nicht. Das unterscheidet «In the Land of Blood and Honey» von – um zwei neuere Beispiele zu nennen – «Vénus noire» und «The Sapphires». In diesen Filmen wurde die historisch verbürgte Wahrheit zumindest stellenweise bewusst (oder auch unbewusst) verfälscht, sehenswert sind beide Filme trotzdem.

«In the Land of Blood and Honey». USA 2011. Regie: Angelina Jolie. Mit Zana Marjanović, Goran Kostić, Rade Sherbedgia, Nikola Đuričko, Branko Đuric u.a. DVD erschienen bei Ascot Elite.


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