Evil Is Just Live Spelled Backwards – Ryûsuke Hamaguchis «Evil Does Not Exist»

Nach «Drive My Car» überzeugt der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi auch mit seinem neuen Film, der viele Fragen aufwirft – zu Natur und Mensch und Mensch und Mensch … 

Takumi und seine Tochter Hana leben abgelegen und im Einklang mit der Natur. Doch eine Firma will genau dort einen Glamping-Platz (Glamorous Camping) betreiben. Die Bevölkerung ist aber skeptisch. Takahashi und Mayuzumi, die im Auftrag der Firma mit der Bevölkerung verhandeln müssen, ändern schliesslich (nach einer erfolglosen Konsultation) ihre Strategie und versuchen, sich mit den Einheimischen anzufreunden.

«Evil Does Not Exist» – das Böse existiert nicht. Der Titel lässt einiges erwarten. Um das Böse im engeren Sinne geht es aber in Ryûsuke Hamaguchis Film natürlich nicht – eher geht es darum, dass wir durch kleine Kompromisse schliesslich eben doch das Böse kreieren. Vielleicht ist es aber eben nicht das Böse, sondern einfach die Veränderung. Diese kann als negativ oder positiv empfunden werden, das liegt im menschlichen Ermessen. Oft arbeitet Hamaguchi, von dem auch das Drehbuch stammt, mit abrupten Schnitten, manchmal hört auch einfach die Musik auf. Und diese Veränderungen stehen vielleicht auch für die Einschnitte im menschlichen Leben und im Leben der Natur. 

Skeptischer Blick in die Zukunft. (Bild: zVg)

Nie wird das Böse etwa wie in «No Country for Old Men» personifiziert, aber es ist doch offen, ob die Zusammenarbeit der Einheimischen mit der Firma etwa nicht auch das Ende des beschaulichen Dorflebens einläutet – vielleicht nicht das Böse (wie Chigurh), aber eben doch Veränderungen, die als negativ empfunden werden müssen, etwa wenn Lärm und Schmutz ihren Weg in die ländliche Welt finden. Eine Welt, in die die Betreiberin eines Udon-Restaurants gekommen ist, um weit weg von der Grossstadt mit besserem Wasser zu kochen. Dies wird nun alles infrage gestellt.

Der Schluss ist offen; es ist unklar, wie ernst es Takahashi etwa mit der Ankündigung, selber als Nachtwächter auf dem Gramping-Platz zu arbeiten. Oder ist das alles nur eine Finte, um die Landmenschen einzuseifen? Das sagt der Film nicht – muss er auch nicht. Aber zum denken anregen – das tut er ist und das ist sicher auch etwas, was Hamaguchi mit seinem Film erreichen will.

Ryûsuke Hamaguchi, der Regisseur von «Drive My Car», wurde für «Evil Does Not Exist» in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet. Die Filmmusik stammt auch diesmal von Eiko Ishibashi. Tatsächlich verdankt der Regisseur die Idee für den Film seiner Komponistin. Der Film basiert nämlich auf dem Stummfilm «Gift», der von einer Live-Performance Ishibashis begleitet wird.

«Aku wa sonzai shinai». Japan 2023. Regie: Ryûsuke Hamaguchi. Mit Hitoshi Omika, Ryûji Kosaka, Ryô Nishikawa, Ayaka Shibutani, Hazuki Kikuchi, Hiroyuki Miura u. a. Deutschschweizer Kinostart am 11. April 2024.


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