Django Shaft vs. Jar Jar Binks
Weshalb Quentin Tarantino und Spike Lee auf verschiedenen Planeten leben – und weshalb nicht «Django Unchained», sondern «Star Wars – Episode One» ein rassistischer Film ist.
Spike Lee hat zwar «Django Unchained» nicht gesehen, trotzdem kritisiert er Quentin Tarantino: die Sklaverei war ein Holocaust und kein Exploitation-Film. Nun hat Spike Lee als Mensch und Filmemacher sicher eine andere Vision nicht nur der Geschichte, sondern auch des filmischen Handwerks bzw. der Filmkunst. Doch das Problem liegt tiefer: als New Yorker und Afroamerikaner ist Spike Lee vom Tod Yusef Hawkins oder Trayvon Martins auf eine ganz andere Art betroffen als Tarantino. Hawkins war ein junger Afroamerikaner, der von einem weissen Mob ermordet wurde, Martin war ebenfalls ein junger Afroamerikaner, der von George Zimmerman, einem Mitglied einer Nachbarschaftswache in einer Gated Community, erschossen wurde.
Black or White
Tarantino, der in Interviews sowohl seinen Glauben an das Recht, eine Waffe im Haus zu haben wie auch seinen Glauben an den American Dream bestätigt hat, lebt da ganz klar auf einem anderen Planeten. Auch der Holocaust und die Sklaverei betreffen Tarantino nicht auf die Art, wie sie eine Überlebende der Shoah oder einen Nachkommen von Sklaven betreffen. Tarantino soll ja selber indianische Vorfahren haben – genau so wie der Mörder von Trayvon Martin afrikanische Vorfahren haben soll. Doch die Identität Tarantinos ist eben weiss, gerade so, wie die George Zimmermans zweifellos nicht schwarz ist. Mit Hautfarbe oder tatsächlichen Vorfahren hat das alles nichts zu tun, viel aber mit Kultur und Identifikation. Zudem: gerade der Rassismus unter Minderheiten ist mindestens so virulent wie der unter anderen Teilen der Bevölkerung. Tarantino selbst spielt in seinen Filmen ja immer wieder sehr unangenehme Figuren – u.a. den rassistischen Jimmy in «Pulp Fiction». Ob dieser nun tatsächlich eine schwarze Frau haben soll oder nicht – Tarantino ist auf jeden Fall ein Fan der afroamerikanischen Kultur. Um das zu wissen, reicht es, «Jackie Brown» gesehen zu haben. Interessant ist in diesem Kontext auch, dass italoamerikanische Figuren bei Tarantino auch eher negativ gezeichnet sind.
Thema Rassismus
Tarantino hat bereits in «Reservoir Dogs» den Rassismus (und Antisemitismus) thematisiert – in «Kill Bill» schliesslich sogar den Rassismus gegen (andere) Weisse. Aber geht es da für Tarantino je ans Lebendige? Wurde er etwa von Meister Pai Mei (einer Figur aus «Kill Bill») als Weisser diskriminiert? Wollte ein rassistischer Mob Tarantino an die Wäsche?
Aber trotzdem: Tarantino thematisiert den Rassismus, und das ist an sich schon lobenswert. Denn: die meisten Filme enthalten zwar Rassismus, thematisieren dies aber nicht. Diedrich Diederichsen hat das anhand von «Star Wars – Episode One» ganz klar gezeigt. Dort sind rassistische und antisemitische Klischees – direkt aus dem «Stürmer» – drin, aber (fast) niemand redet darüber, am wenigsten der Film. Die sind einfach so, diese sklavenhandelnden Aliens, diese Jar-Jar-Binks-Kreaturen mit ihrem Pidgin-Englisch, die nichts lieber machen, als sich für die Menschen zu opfern.
Selbst Lando Calrissian oder der von Samuel L. Jackson dargestellte Mace Windu sind bloss Nebenfiguren im Star-Wars-Universum, während Tarantino mit Django Freeman-Von Shaft einen echten afroamerikanischen Helden kreiert hat, der sich nicht nur gegen die weissen Bösewichte wie Monsieur Candy, sondern auch gegen Uncle Tom, pardon, Uncle Stephen durchsetzen muss, den von Samuel L. Jackson dargestellten house negro in «Django Unchained». Während der Uncle Tom in «Star Wars» nicht der Böse ist, sondern eine Art dummer Held, eben Jar Jar Binks, so ist der Uncle Tom in «Django Unchained» nicht der Held, sondern der wahre Gegenspieler des Helden. Rassistisch? Im Gegenteil: Tarantino kann so zeigen, dass oft gerade die Opfer des Rassismus ihren eigenen Opferstatus nicht aufgeben wollen, genau eben, weil sie Opfer des Rassismus sind und sich gar nichts anderes vorstellen können.
Aliens oder Menschen?
Nun könnte man einwenden, dass Figuren wie Jar Jar Binks und Watto ja weder afroamerikanisch noch jüdisch sein können, schliesslich handelt es sich ja offensichtlich um Aliens. Dies ist eine durchaus grundsätzliche Frage der Interpretation. Andererseits: auch wenn wir Jar Jar Binks und Watto als Aliens interpretieren, hinter denen keine Klischees über menschliche ethnische Gruppen stehen – der rassistische Grundton in der Figurenzeichnung bleibt trotzdem. Auch wenn Jar Jar Binks einfach ein Alien ist: weshalb wird dann er und sein Volk so läppisch dargestellt? «Star Wars» bleibt auch dann ein rassistisches Universum, und das Problem ist ja gerade, dass sich niemand etwas dabei gedacht hat. Trayvon Martin ist einem nur allzu offensichtlichen Rassismus zum Opfer gefallen. Aber ohne den unterschwelligen, nicht reflektierten, oft gar nicht wahrgenommenen Rassismus, der eben leider auch in «Star Wars» zum Ausdruck kommt, ohne diesen Rassismus wäre der andere gar nicht denkbar.
Diedrich Diederichsen über «Star Wars – Episode One»
http://www.filmzentrale.com/rezis/starwars1dd.htm
JONJ über Watto aus «Star Wars – Episode One»
http://www.jewornotjew.com/profile.jsp?ID=122
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