Cianfrances grosse Kelle

Derek Cianfrances neuer Film ist ein spannender Thriller, der zwar streckenweise etwas allzu konstruiert wirkt, aber dennoch zu packen vermag.

Luke Glanton (Ryan Gosling) ist ein Loser, der zwar ein hervorragender Motorradfahrer ist, es aber nicht schafft, daraus Kapital zu schlagen. Die Mutter seines Sohns, Romina (Eva Mendes), lebt allerdings wohl nicht nur deshalb nicht mit ihm, sondern mit ihrem Ehemann Kofi (Mahershala Ali) zusammen. Luke will sich aber nicht geschlagen geben – zusammen mit Freund Robin Van der Zee (Ben Mendelsohn) stürzt er sich in eine neue «Karriere» als Bankräuber. Doch bald schon kommt das neue «Geschäftsmodell» an seine Grenzen – Robin sieht das, Luke will es nicht sehen. Ein Cop namens Avery Cross (Bradley Cooper) erschiesst ihn auf der Flucht. Jahre später treffen die Söhne der zwei Männer aufeinander…

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Cianfrance zeigt Durchschnittsmenschen mit ihren allerdings nicht immer ganz durchschnittlichen Problemen (Foto: zVg).

Regisseur Derek Cianfrance (ausgesprochen «SEA ˈn France») hat zusammen mit Ben Coccio und Darius Marder ein interessantes Drehbuch geschrieben, das er auch ansprechend umgesetzt hat. Vielleicht hätten dem Film allerdings einige Kürzungen nicht wehgetan. Korrupte Cops, durchgeknallte Kleinkriminelle, ein Eifersuchtsdrama, Generationen, grosse Bilder, Geschichte, die sich möglicherweise wiederholt – Cianfrance rührt mit der ganz grossen Kelle an. Das ist wohl das Problem von vielen anspruchsvollen US-Streifen: dieses seltsam zwitterhafte, zwischen Hollywood und Arthaus. Aber genau darin liegt auch eine Chance: Cianfrance kann mit seinem neuen Film (wie auch schon mit «Blue Valentine») ein breiteres Publikum ansprechen, dass sich eben so oder so nicht ins Arthauskino verirrt. Interessant ist dabei ein Vergleich mit den Jesse-und-Céline-Filmen Richard Linklaters: dort parlieren gebildete Menschen (vor allem natürlich das Paar Céline und Jesse) miteinander, bei Cianfrance sind es Working-Class-Menschen, die ganz andere Probleme haben – auch finanzieller Natur. Bei Linklater zeigt sich also wohl der bourgeoise Einfluss des französischen Kinos; Cianfrance zeigt aber wirkliche Durchschnittsmenschen mit ihren allerdings nicht immer ganz durchschnittlichen Problemen. Wenn  Beziehungen bei Cianfrance in die Brüche gehen, dann aus ganz handfesten, finanziellen Gründen. Luke hat Romina nichts, aber auch gar nichts zu bieten. Jesse und Céline hingegen können sich ihre romantische Liebe leisten. Vielleicht wäre «The Place Beyond the Pines» der bessere Film geworden, wenn sich Cianfrance wie schon in «Blue Valentine» ganz auf ein Filmpaar konzentriert hätte. Es ist gleichzeitig aber auch verständlich, dass der amerikanische Regisseur diesmal etwas anderes versuchen wollte. Dazu passt auch, das der Titel die Übersetzung von Schenectady ist, dem indigenen Namen des Schauplatzes des Films; das Thema Rassismus spielt zwar nur im zweiten Teil des Films eine kleine Rolle.

 

«The Place Beyond the Pines».  USA 2012. Regie: Derek Cianfrance. Mit Ryan Gosling, Eva Mendes, Bradley Cooper, Ray Liotta, Mahershala Ali, Ben Mendelsohn u.a. Deutschschweizer Kinostart: 20.6.2013.


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