Starke Frau, schwacher Mann – Sebastián Lelios «Gloria»

Gloria ist eine Frau in ihren besten Jahren. Sie lebt getrennt von ihrem Mann. An einer Party lernt Gloria (Paulina García) den ehemaligen Marineoffizier Rodolfo (Sergio Hernández) kennen, der seit kurzem ebenfalls single ist. Bald schon sind die zwei ein Paar – Rodolfo, der unterdessen einen Freizeitpark mit Bungeejumping und Paintball betreibt, will Gloria aber partout nicht seinen Töchtern vorstellen. Sie seien zwar alle erwachsen, aber noch sehr unreif, sagt Rodolfo, der immer wieder vom Natel unterbrochen wird – einmal ist es seine Ex, dann wieder eine seiner Töchter. Gloria ist frustriert und sucht nach einem Ausweg…

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Frustriert von einer Beziehung, die wie Paintball funktioniert, als Spiel, ohne echte Verpflichtungen: Gloria (Paulina García) (Bild zVg).

Sebastián Lelio legt mit «Gloria» eine starke Meditation zum Thema Alter und Sexualität vor. Rodolfo hat seine militärische bzw. nautische Vergangenheit ins Spielerische gerettet, mit Paintball und Bungeejumping. Und genauso managt er auch seine Beziehung zu Gloria: als Spiel, ohne echte Verpflichtungen. Und dies, obwohl er sehr starke Gefühle für Gloria empfindet. Da verwundert es nicht, wenn Gloria Rodolfo am Schluss in einer Art Drive-By-Shooting umnietet – da es sich nur um Paintball handelt, kommt aber wohl niemand zu schaden. Ihre Beziehung ist an diesem Punkt schon lange gestorben – da Rodolfo vor allem Konflikten flüchtet und versucht, alles als Spiel zu behandeln, flüchtet er immer wieder vor Glorias ganz realen Konflikten. Die Antithese zu Rodolfo, der seine Routine nicht für die Beziehung opfern will, ist Glorias Tochter, die der Liebe wegen nach Norwegen zieht, zu ihrem norwegischen Freund Theo – Norwegen und die Niederlande sind aus chilenischer Sicht nahe beieinander, und so wird Theo van Gogh erwähnt, der Regisseur, der aufgrund seines islamkritischen – oder islamophoben? – Films «Submission» ganz real (leider nicht mit Paintball) umgebracht wurde; von einem niederländisch-marokkanischen Islamisten, der sich anders als Rodolfo nicht scheute, den Konflikt zu leben und dabei sogar andere Menschen umzubringen.  Gloria wiederum lebt zwar die Konflikte, würde aber dabei auch niemanden umbringen.

Kurz und gut: ein starker Film über den ewigen Konflikt zwischen Spiel und Ernst, ein Konflikt, der uns alle lebenslang begleitet. Und vielleicht auch ein Film über das Kind im Manne… geschrieben notabene von zwei Männern, Regisseur Sebastián Lelio und Gonzalo Maza.

«Gloria»  Chile/Spanien 2013. Regie: Sebastián Lelio. Mit Paulina García, Sergio Hernández, Fabiola Zamora, Diego Fontecilla  u.a. Deutschschweizer Kinostart: 12.9.2013.

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