Der überfüllte Fleischwolf des Robert Rodriguez: «Machete Kills»
Von Michel Schultheiss
Welche Vorstellungen der wortkarge Haudegen von der Kommunikation hat, wird zu Beginn des Films klar: «Machete twittert nicht», meint er in stoischer Manier. Stattdessen setzt er auf Handfestes und Direktes. Dafür hat der Filmheld (Danny Trejo) gar ein überdimensioniertes Schweizer Sackmesser mit ausklappbaren Macheten zur Verfügung. Was einst als ulkiger Fake-Trailer begann und mit «Machete» zu einem Film ausgebaut wurde, ist – was kaum verwunderlich ist – beim Sequel angelangt. Und wie der Cliffhanger andeutet, wird es womöglich auch noch eine dritte Runde mit dem tätowierten Chicano geben.

Mit der Machete gegen einen der vielen Bösewichte im Film: Machete (Danny Trejo) und Méndez (Demián Bichir) (Foto: zvg).
In «Machete Kills» hat einen noch grösseren Blei- und Blutverschleiss als der Vorgänger und die Charaktere sind noch viel überzeichneter. Das Flair des Regisseurs Robert Rodriguez («From Dusk Till Dawn», «Sin City») für den Trash-Fundus und das Comicartige kommt auch hier wieder zum Tragen: Köpfe und Eingeweide sausen wieder durch die Gegend, wenn Trejo seine Machete zückt oder die Rotorblätter eines Hubschraubers anders als üblich verwendet. Zudem tauchen am Laufmeter Figuren auf (um meist auch schnell wieder zu verschwinden), die für sich schon ein Spektakel sind. Man denke hier etwa eine männermordende Amazone namens Madame Desdemona (Sofía Vergara), an Charlie Sheen als US-Präsident (in den Credits unter seinem bürgerlichen Namen Carlos Estévez) oder an «El Camaleón», ein Killer, der stets sein Gesicht wechselt und unter anderen von Antonio Banderas und Lady Gaga (sic!) gespielt wird. Ferner sind viele Anspielungen auf frühere Filme von Rodriguez zu finden. Der blinde Zweikampf («Once upon a Time in Mexico») oder bizarre Hybride aus Prothesen und Waffen (wie in «Planet Terror» und «From Dusk till Dawn») werden auch diesmal wieder hervorgeklaubt.
Die Idee zur Figur Machete kam schon während der Produktion von «Desperado» (1995) auf. Danny Trejo – ein Cousin von Robert Rodriguez – war in diesem Streifen in einer Nebenrolle als grimmiger Messerwerfer zu sehen. Generell war Trejo meist als mexikanischer Hilfsbösewicht, wie man ihn von den Western-Klischees her kennt, zu sehen. Damals war Rodriguez noch nicht klar, er die Hauptfigur eines Filmes werden sollte – und erst noch mit einer Waffe, die passender nicht sein könnte: Das rustikale Werkzeug Machete ist das Sinnbild des einfachen und rebellischen Campesino schlechthin. Man denke etwa an die zapatistischen Karawanen oder Demos von Landarbeitern, welche zum Protest mit der Machete in Hand protestieren. Dass der knorrige 69-Jährige mit diesem einfachen, aber äusserst effizienten Buschmesser eine Übermacht von Schwerstbewaffneten bodigt, ohne dabei gross Worte zu verlieren, macht unter anderem den Reiz der Figur aus.

Der wortkarge Haudegen und eine der vielen tödlichen Schönheiten im Film: Amber Heard und Danny Trejo (Foto zvg).
In «Machete Kills» wartet ein grösseres Brimborium als im ersten Teil auf. Während sich Machete im ersten Teil gegen rassistische Südstaatenpolitiker und mexikanische Narcos durchschlagen musste, wird im zweiten Teil der Grössenwahn seiner Gegner gesteigert: Méndez, gespielt von der mexikanischen Schauspiellegende Demián Bichir, hat eine Atomrakete auf Washington gerichtet. Im Grunde genommen will er – wie etwa die Anti-Superhelden «Watchmen» – damit etwas Gutes bewirken und dem unsäglichen Drogenkrieg in Mexiko ein Ende bereiten. Noch abstruser wird es, wenn mit Voz (Mel Gibson) ein Bösewicht auftaucht, wie man ihn aus James-Bond-Filmen kennt. Der Wahnsinnige möchte sich wie in «Moonraker» (1979) mit einer Arche Noah im Science-Fiction-Gewand aus dem Staub machen.
Die Handlung ist aber völlig sekundär: Wer den Hang zum Übertriebenen und zu B-Movie-Anleihen mag, wie sie typisch sind für Rodriguez-Filme, wird auch von «Machete Kills» nicht enttäuscht sein. Mit Action, Erotik (wenn auch weniger als im ersten Teil), markigen oder auch flachen Sprüchen und einer gehörigen Portion Selbstironie, die das Ganze auch wieder zurechtbiegt, trumpft «Machete Kills» auf. Allerdings versucht Rodriguez stets, wenn auch mit einem Augenzwinkern, sich selbst zu übertreffen und mehr denn je alles Mögliche in einen einzigen Streifen zu verpacken: Er lässt ein immenses Staraufgebot durch den Fleischwolf und lässt den Exploitationfilm mal in Richtung James Bond abdriften, mal (mit einer Laser-Macheten-Duell) in Richtung Star-Wars-Parodie. Die Sequel-Manie, die man fairerweise nicht bloss auf Rodriguez münzen kann, trägt auch bei Machete dazu bei, dass sich ursprünglich Originelles allmählich Abnutzungserscheinungen zeigt. Vom stetigen Gebrauch wird somit selbst eine Machete stumpf.
«Machete Kills», USA 2013. Regie: Robert Rodriguez. Mit Danny Trejo, Mel Gibson, Demián Bichir, Amber Heard, Michelle Rodríguez, Sofía Vergara, Charlie Sheen, Lady Gaga, Antonio Banderas, Walton Goggins, William Sadler, Cuba Gooding Jr., Vanessa Hudgens u.a. Deutschschweizer Kinostart: 19.12.2013.
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