Mona Lisa, Teil 3 – Krimi von Andy Strässle

Im dritten Teil von Mona Lisa findet die Begegnung mit Corina doch noch statt. Aber wie im richtigen Leben gelingt es nicht die Vergangenheit wirklich zu erklären.

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Andy Strässle erzählt in seinem kriminalistischem Dreiteiler die unglaubliche Geschichte eines «Mona Lisa»-Diebs.

von Andy Strässle

Es hätte nie geschehen dürfen und trotzdem traf ich dich dann doch. Zufällig. Beim Gemüse. Im Supermarkt. Ich war für ein paar Tage in die Stadt zurückgekehrt, ich wollte die Gastfreundschaft meines Bruders und seiner Frau nicht überstrapazieren und gleichzeitig wurde ich in Baden etwas rastlos. So seltsam es war, mir fehlte sogar der Rhein. Seltsam, weil der Fluss ja etwas war, das einfach immer dagewesen war, ohne, dass man sich weiter Gedanken darüber machen zu brauchte.
So ging ich spazieren und machte den grösstmöglichen Bogen um das Haus, in dem du im Erdgeschoss lebtest. Noch immer war ich ein Frühaufsteher, doch fiel es mir leicht, im Hotel fernzusehen, zu lesen und dann später spazierenzugehen. Im Knast lernt man Gleichmut, ganz automatisch wird es mit der Zeit zur zweiten Natur, seine Erwartungen zu dämpfen. Dennoch genoss ich die Freiheit, bekam wieder ein Zeitgefühl und ich spürte, dass ich Tara und Tim jetzt doch vermisste. Es konnte durchaus sein, ich war nicht der bestmögliche Einfluss auf die Kleinen, aber zu dritt hatten wir durchaus Spass an einfachen Dingen gefunden. Ich hätte Anzüge shoppen gehen können, doch sie bedeuteten mir nichts mehr. Vor acht Jahren hatte ich mich noch verstellen müssen, doch heute war ich mit alltäglichen Klamotten ganz zufrieden und die neuesten Farben und Schnitte waren mir egal.
Der Apfel war nichts besonderes, ich hatte ihn kaufen und mit zurück ins Hotel nehmen wollen. «Ach du heiliger Kuhmist», sagte Corinna neben mir und einen Augenblick lang wurde mir schwindlig. War das nicht der Moment, von dem ich mir nicht erlaubte zu träumen, war es nicht genau jener Augenblick, die Konfrontation von der mein Bruder immer sprach, bevor er sich die Hände wusch. Ich hielt den Apfel vor mich hin, wie einen Talisman. «Du sagst heiliger Kuhmist, weil du eine Lehrerin bist und nicht fluchen willst wie vernünftige Leute?»
«Du weißt genau, dass es deswegen ist, verflixte Besenkammer.»
«Es ist toll, dich zu sehen», sagte ich.
«Ich hab’ doch nichts vor der Haustüre, oder?»
Um uns herum waren die anderen Supermarkt-Besucher stehengeblieben. Sie spürten die Spannung und wie im Knast auch, wirkten ungelöste Spannungen hypnotisch. Es konnte explodieren, musste aber nicht. Im Knast allerdings entstanden die Spannungen aus Langeweile. Nur die spontanen zutiefst sinnfreien Konflikte liessen die Insassen spüren, dass sie noch lebten, etwas bedeuteten. Ich hielt Corina den Apfel hin. Sie sah ihn an und nahm ihn in die Hand: «Das hätte dir auch vor acht Jahren in Sinn kommen können.»
«Ich war noch nie gut mit Geschenken…», entschuldigte ich mich verlegen.
«Hallo? Nicht gut? Hast du eine Ahnung, was die …»
«Warum hat jeder eine Ahnung, was die Mona Lisa bedeutet, ausser mir?», unterbrach ich sie und hoffte damit sie und den Apfel etwas länger bei mir behalten zu können. Corina schüttelte den Kopf. Ich hielt meine Hände hoch, bevor sie nochmals etwas sagte, das mit religiösem Kuhmist zu tun hatte. Ihre Haare waren etwas kürzer, sie waren jetzt auch weisser. Aber schon früher hatte ich es gemocht, dass sie ihr Haar nicht gefärbt hatte. Ihre Kleidung hatte sich nicht wesentlich verändert und eigentlich sah sie ganz gelöst aus. Sie erzählte mir, den Apfel noch immer in der Hand, sie habe eine Erzählung fürs Theater geschrieben, eine Freundin habe das Stück dann aufgeführt. Es sei toll gewesen. Um uns herum, merkten die Leute, dass nichts besonderes laufen würde, sie gingen weiter, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen.
In diesem Moment stand einiges zwischen uns. Man muss es ehrlich sagen: Da war nicht nur das in braunes Packpapier eingewickelte Bild gewesen, auch der Prozess, in den sie hineingezogen worden war und der Shitstorm in den Medien, waren heftiger gewesen, als dass man es beim Gemüsestand am frühen Nachmittag klären konnte. Meine damalige Geliebte hatte ziemlich ihr Fett wegbekommen: Unter einem Foto auf dem du verschlafen aufs Velo stiegst, um zur Schule zu fahren, hatten sie geschrieben: «Was ist an dieser Frau so besonderes?» Schlüpfriger geht es immer, so dass die Boulevard-Zeitung einen Schnappschuss, der dich zeigte, wie du mit deinem abgetragenen Mantel ins Gericht hineingingst, mit den Worten kommentierte: «An der Kleidung der Lehrerin kann es nicht liegen, aber vielleicht fasziniert das darunter.»
Damit war das Urteil gefallen. Sie hatten erkannt, du warst keine ausgehungerte Model-Schönheit, sondern eine Frau, die auch nicht mehr ganz jung war. Von da an gingen sie noch weiter und du wurdest zur «Sexlehrerin». Die Schlagzeilen hiessen dann: «Sexlehrerin sagt, sie weiss von nichts.» Im Text wurde folgerichtig angedeutet, im Bett wüsste die Sexlehrerin dann aber alles und noch mehr. Der deprimierende Abschluss der ganzen Kampagne war dann der: «Sie ist so gut!» mit einem Foto, dass mich zeigte, wie ich in Handschellen von zwei Beamten in die Haftanstalt Sursee geführt wurde.
«Ich muss den Apfel noch bezahlen.»
«Stimmt, das musst du.» Corina sah mich unsicher an.
«Wir sollten, vielleicht…» Der Moment war vorbei. Corina warf den Kopf zurück, die Entscheidung war gefallen: «Ich muss noch einkaufen, ich wollte eigentlich…»
«Ich verstehe, ich muss den Apfel…»
Nicht einmal Leonardo Da Vinci persönlich hätte gewusst, wie man aus der Situation rauskam. Obwohl er alles studiert hatte und ab zu sogar Kriegsmaschinen für irgendwelche Regionalfürsten zusammenbaute. Am Ende blieb mir der Apfel. Ich sah ihn auf der Strasse ziemlich lange an.
Corina hatte den Prozess nicht in guter Erinnerung. Anfangs hatten sie die Schlagzeilen nicht so sehr gestört und auch, dass manchmal Fotografen vor ihrem Haus lauerten, war ihr egal. In der Schule gab es etwas Ärger, wegen den Sexgeschichten, aber schliesslich nahm sie sich bis Ende Semester frei und schrieb das Theaterstück. Es handelte von einer Frau, die sich auf eine einsame Insel zurückzieht um zusammen mit einem alten Mann die Fäden eines Seils zu entwirren, wie ich bei einer späteren Gelegenheit herausfand. Es passte: Nach dem Prozess, dem Tagebuch, zu dem sie im Zeugenstand zwei Tage lang befragt worden war, erschien der Wunsch auf eine Insel zu flüchten nur als logisch. Der Richter hatte Corina unter Druck gesetzt: «Frau Berger, Sie geben an, Sie hätten von nichts gewusst. Dieses Tagebuch hat aber fast sechshundert Seiten und die Planung muss fast ein dreiviertel Jahr gegangen sei und Sie erklären hier von nichts eine Ahnung gehabt zu haben?»
Corina wusste, sie war es als Lehrerin gewohnt vor Leuten zu sprechen, aber was konnte sie dazu sagen. Auf der ganzen Welt hatte niemand erwartet, dass ein Idiot hingeht und die Mona Lisa stiehlt, wie also hätte sie darauf kommen können.
«Ich dachte, es ging um Arbeit, ich fragte manchmal und er antwortete mir, es sei nicht aussergewöhnlich, wenn ein Schreiber etwas schreibt.»
«Aber ihr Partner schrieb ja nicht einfach einen Artikel oder eine Geschichte, er plante einen grossen Coup, nicht wahr?»
Der grösste Coup, das teuerste Bild der Welt. Niemand glaubte mehr, ich hätte es für sie getan. Vor allem Ralph war keine Hilfe gewesen, er hatte nur vom Geld gesprochen. Und wäre das verdammte Tagebuch nicht gewesen, so hätte er sich wohl noch als eine Art Meisterkrimineller in Szene gesetzt und ich wäre ein, zwei Jahre früher rausgekommen. Aber so stand alles schwarz auf weiss da.
Corina sagte: « Ich dachte er sei kreativ, glaubte, ich hätte einen guten Einfluss auf ihn gehabt und er schreibe jetzt nicht nur diesen Werbemüll.»
«Ihre Meinung, was die Werbung angeht, interessiert das Gericht weniger.»
Der Gerichtsschreiber las einen Auszug von Seite 300 vor. Keine besonders emotionale Seite. Ralph und ich diskutierten Ablenkungsmanöver.
«Wir brauchen etwas Grosses. Das geht nur in der Métro».
«Trink noch etwas, Ralph».
«Oder vielleicht Charles De Gaulle, was hälst du von Charles De Gaulle, einen Wodka Red Bull bitte.»
«Das ist doch zuviel, ich nehme auch einen.»
«Sei kein Scheisser, die Flics haben „Le rapport“ und gleichzeitig heizen wir ihnen ein, dafür haben sie keinen Plan.»
Ralph liebte Pläne, Dispositive und Worst Case Scenarios über alles, so wurde der Flughafen zum Worst Case und die Métro zum zweitschlimmsten, also legten wir die Métro lahm. Ich schämte mich vor Gericht unsäglich, dass alle die Leute an einem normalen Mittwoch solche Angst hatten haben müssen und stundenlang in den Tunneln eingeschlossen gewesen waren.
Corina schien sich in dem Stuhl verstecken zu wollen, als sie Seite 320 vorlasen. Es musste Vollmond gewesen sein. Ich beteuerte auf kitschige Weise meine Liebe, schwor auf diesen Seiten ewige Treue undsoweiter. Es war acht Jahre her und noch immer kam sie nicht damit klar. Immerhin hatte sie damals etwas gewartet, bevor sie die Bullen angerufen hatte.

«Die Sonne bewegt sich nicht», hatte Leonardo Da Vinci nach einem Blick in den Himmel festgestellt und nicht ausgesprochen, dass es also die Welt sein musste, die sich bewegte. Heute klingt das nicht mehr so revolutionär, wie zur Zeit der Renaissance. Da Vinci getraute sich wie Galilei die Welt auf den Kopf zu stellen, sie ganz anders zu denken. Leonardo lebte auf gewisse Weise nach seinen eigenen Regeln, schrieb als Linkshänder spiegelverkehrt und entwarf aus Langeweile für die Fürsten nicht nur Waffen, sondern in Friedenszeiten auch einmal eine Kanalisation. Was seine Kunst anging, so machte er keine Kompromisse, auch Auftragswerke gab er erst heraus, wenn sie aus seiner Sicht fertig waren. Und das konnte dauern. Das Porträt der Florentinerin, die Lisa hiess, ist im Grunde unheimlich. Das Bild scheint zu leben, der Meister hat der Frau Schatten in die Augen gemalt, ihren Mund sanft unscharf werden lassen und so entsteht bei jedem Hinschauen das Gefühl, sie sei immer jemand anders.
Genausowenig wie Corina vor Gericht zu erklären vermochte, wer ich war und wer wir zusammen seien, genauso blieb Corina für mich ein Rätsel. Sie war bei jeder Begegnung wieder neu. Gerade so, als hätte ihr jemand einen Schatten in die Augen gemalt.

Nachdem Corina eingekauft hatte, war ihr klargeworden, sie hatte sich eigentlich gefreut mich wiederzusehen. Als ihr Mail bei mir eintraf, fiel mir auf, sie hatte mir –ausser dem gelegentlichen Zettel auf dem Küchentisch – noch nie geschrieben. Sie schrieb, sie sei etwas verwirrt gewesen und sie sei dann doch enttäuscht gewesen, nicht einmal den Apfel bekommen zu haben. Zunächst habe sie versucht, einen richtigen, also einen handschriftlichen Brief zu schreiben, aber die Papiere seien immer zerknüllt in der Ecke gelandet.
Beim Gedanken an Corina am Computer konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Der mittelalterliche Laptop, den sie vor acht Jahren gehabt hatte, der hätte wohl tatsächlich Nachrichten aus der Renaissance empfangen können, so alt war er. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie ihre Wohnung jetzt aussah, oder ob sie immer noch soviel gärtnerte wie früher. Aber das spielte keine grosse Rolle mehr. Nicht mehr. Ich hatte das teuerste Bild der Welt für eine Fremde geraubt.
Traurig war nur, dass ich sie, hätte ich es mit Blumen oder Schokolade versucht, vielleicht hätte besser kennenlernen können. Corina war zu hause, wollte mir ein Mail schreiben, sie sah aus dem Fenster, klickte am Computer rum. Sie dachte, man kann auch zuviel sagen. Sie ging aus der Wohnung, die ihr nun zu eng vorkam. Sie ging nach vorne an den Rhein, es dämmerte und es waren nicht so viele Leute wie sonst da. Sie wollte die Jacke enger um sich ziehen, aber sie hatte keine angezogen.
Nicht so schlimm, sagte sie sich, und fragte sich, wo die verlorene Zeit hin sei.

-Was kann man jemanden nach acht Jahren sagen?

Corina wollte erklären, was geschehen war, schaffte es aber nicht. Am Schluss war das Mail doch nicht schneller. Naja, vielleicht waren auch zuviele Mails vom Ende des 15. Jahrhunderts hereingekommen. Ich selbst hätte am liebsten aus dem Fenster in Baden gerufen, es ist nicht so schlimm, alles in Ordnung. Und das Bedürfnis wurde nicht kleiner, je mehr ich las. Sie schrieb: «Weißt du, ich habe nie ein grosses Leben gewollt. Ich war im kleinen ganz zufrieden. Mit mir, meinem Garten und auch mit meinen Liebesabenteuern. In meinem Leben habe ich versucht zu tun, was ich kann. Eine zeitlang war das Journalismus und die paar Bücher, die ich veröffentlicht habe. Als das nicht mehr reichte, bin ich Lehrerin geworden. Naja, ich bin immer noch keine gute Lehrerin, aber ich muss es halt versuchen.»
Tim zupfte an meinem Ärmel: «Brauchst du noch lange, Iris sagt, du kommst mit uns raus…» Es war immer irritierend, dass Tim seine Mutter Iris nannte, aber ich zögerte, ich musste doch weiterlesen, doch schon stand auch noch Tara in der Türe. «Ich will auf den Spielplatz, Mami sagt, wir dürfen.»
«Ich hab’ ihn doch schon gefragt, du dumme Kuh.»
«Verdrehte Eselslocke, du darfst deine Schwester doch nicht beschimpfen.» Eine Viertelstunde später standen wir auf dem Spielplatz und fragte mich, was Corina wohl weiter geschrieben hatte. Die Kinder gruben Löcher im Sand, rannten etwas herum und als wir uns den Ball zu warfen, bekam ich nur selten einen zu fassen. Leonardos vielleicht bestes Bild «Das letzte Abendmahl» war heute nur noch eine Ruine, dessen Brillanz man bestenfalls noch erahnen konnte. Und doch erzählt Da Vinci die ganze Geschichte von Erleuchtung, Verrat und Vergebung.

Corina war am Fluss gestanden, hatte auf den träge vor sich hinfliessenden Rhein geblickt. Hier war sie schon viele Male gestanden. Manchmal hatte sie Liebeskummer gehabt, dann wieder nicht. Ihr wurde klar, als die Fähre unten beim Steg anlegte und eine Glocke erklang, sie war ganz zufrieden. Da war nicht mehr, für sie brauchte es nicht mehr.
Iris klopfte den Sand aus den Kleidern der Kindern und ich las, dass sie nicht verstanden hatte, warum ich so viel vor ihr versteckt hatte. Sie schrieb, sie verstehe es noch heute nicht. Ich hätte mir ihr reden können. Sie schrieb, es sei am Prozess interessant gewesen, jemand ganz anderen kennenzulernen. Ja, es sei auch – für eine Weile – interessant gewesen, die «Sexlehrerin» zu sein. Aber noch heute wisse sie schlicht nicht, was sie mit dem Bild vor ihrer Tür hätte tun sollen. Zunächst hatte sie geglaubt, niemand würde die Mona bei ihr finden, aber sie wollte niemals, niemals, niemals, durch ein solches Verbrechen an mich gekettet sein. Heute nicht und vor acht Jahren nicht.
-Drei Mal Niemals. Das ist viel.
Tim wollte Playstation spielen, aber Iris hatte es ihm verboten.
An einem Donnerstagmorgen vor über acht Jahren war Corina aufgestanden. Draussen war es noch etwas dunstig. Sie hatte noch Zeit, sich für die Schule bereitzumachen. Am Abend vorher hatte sie etwas zuviel getrunken. Sie duschte, machte Kaffee. Sie hatte erst später Schule und wollte vorher noch in den Garten um einen klaren Kopf zu bekommen. Eigentlich wollte sie nur die Post reinholen. An ihrer Türe lehnte das Päckchen. Sie riss das Papier weg und da war sie. Mona Lisa.
Die Mona blickte sie an, wie es nur die Mona konnte. Corina lehnte das Gemälde an ihr Sofa, machte ein paar Schritte zurück. Die Mona sah anders aus. Corina ging auf sie zu und jetzt schien sie dieses unheimliche Lächeln zu lächeln. Sie holte das Packpapier breitete es auf dem Wohnzimmertisch aus und legte das Gemälde ganz sorgfältig darauf. Je mehr sie darüber nachdachte, um so ängstlicher wurde sie. Auf Zehenspitzen ging sie zurück in ihre Küche.
-Mona Lisa. Die verdammte Mona Lisa liegt in deinem Wohnzimmer.
Sie schreibt, sie wisse ja nicht, wie es im Knast sei, aber sie habe damals das Gefühl gehabt, dieses kleine Bild im billigen Packpapier versperre nicht nur alle Wege, sondern verbarrikadiere sie. Und Corina war sich sicher gewesen, sie wollte von niemandem eingesperrt werden.
Geistesabwesend hatte ich für Tim den Fernseher eingeschaltet, auf dem Sponge Bob gerade explodierte. Ich verstand, wollte ich rufen, ich verstand und ich wusste, ich verstand zu spät.
Eine Sache noch, schrieb Corina, aber zuerst die Mona Lisa. Ihr Leben lang habe sie frei sein wollen und habe es mit der Treue vielleicht wirklich nicht immer so genau genommen. Aber die Geste, das erkenne sie jetzt, sei natürlich grossartig gewesen. «Dass das jemand für einen riskiert, dass jemand alles auf eine Karte setzt, das ist schon geil. Auch wenn es für mich zu viel ist und ich ganz sicher dafür die falsche Person war. Weißt Du, ich wäre auch mit einem Blumenstrauss zufrieden gewesen und fand es auch gut, wenn du mich im Bett verwöhnt hast, das hätte mir voll und ganz gereicht.»
Iris kam, stellte den Fernseher ab und setzte Tim hinter die Hausaufgaben. Du bist ja ganz bleich, meinte sie, ohne sich wirklich um mich zu kümmern. Als Mutter hatte sie mit den Problemen des Alltags zu kämpfen.
Corina schrieb, es sei unverzeihlich, dass ich ihr die Mona Lisa geklaut hatte. Sie schrieb es sei unverzeihlich aber toll. Wie die Liebe. Wie Paris im Frühling. Wie dieser Markt in Paris im Frühling.

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