Flucht als Komödie und Integration als Erfolgsgeschichte – Kheirons «Nous trois ou rien»
Kheiron erzählt die Geschichte seiner aus dem Iran geflüchteten Eltern als Komödie – und dies trotz Folter und bärtiger Revolution der Ayatollahs. Ein gelungener Film für ein breiteres Publikum.
Hibab ist ein junger Aktivist im Iran unter dem Schah. Dieser versteht aber bekanntlich keinen Spass und so verbringt Hibab lange Jahre im Gefängnis. Khomeini ist anfangs auch für Hibab und seine Freunde ein Hoffnungsträger, doch bald schon muss sich Hibab, unterdessen verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes, überlegen, seine Heimat zu verlassen. Mit kurdischer Hilfe gelingt ihnen die Flucht nach Istanbul; schliesslich lässt sich die junge Familie in Paris nieder. Zuerst ist alles schwierig, doch bald schon können sich Hibat und seine Frau Fereshteh auch beruflich etablieren und helfen so anderen MigrantInnen und Secondos bei ihrer eigenen Integration…
Bataclan, Molenbeek – Integration als Erfolgsgeschichte kommt im Moment nur allzu selten zur Sprache. Auch im Kino war – vielleicht abgesehen von anspruchslosen Komödien wie «Qu’est ce-qu’on a fait au bon dieu» – eher ein düsterer Blick auf das Thema zu sehen. In Jacques Audiards «Dheepan» muss eine tamilische Familie ein zweites Mal flüchten; die französische Banlieue wird zu einer Kriegszone, welche die männliche Hauptfigur an den Bürgerkrieg in Sri Lanka erinnert. Kheirons Film versucht nun, ein Stück iranische Geschichte und eine gelungene Integration auf immer wieder humorige Art rüberzubringen, was grösstenteils auch gelingt. Vielleicht dann doch etwas allzu leicht – aber immerhin erzählt Regisseur Kheiron hier ja die Geschichte seiner eigenen Familie. Und es ist sicherlich gut, dass ein Film ein anderes Narrativ zeigt als «The au harem d’Archimède», «La Haine» oder zuletzt «Dheepan» – denn auch wenn viele Menschen mit Migrationshintergrund es nicht schaffen, ein sinnvolles Leben zu leben (die Mehrheitsgesellschaft macht es ihnen sicher auch nicht immer leicht…) – andere finden sehr wohl ihren Weg und müssen dabei auch keineswegs ihre eigene Kultur aufgeben.
Aus den USA ist es bekannt, dass gerade die Migranten, die die eigene UND die Kultur der USA pflegen, am besten reüssieren. Wobei dies letztlich wohl eine Frage der Bildung ist: nur die Gebildeteren und Wohlhabenderen (vor allem die Weissen, die ja so oder so privilegiert sind) können beides pflegen, die Kultur der alten und die der neuen Heimat. Zugegebenermassen hilft es dabei natürlich, wenn es bereits Berührungspunkte gibt zwischen den Kulturen (und eben den Hautfarben) – gerade Hibats Geschichte zeigt aber dabei, dass es sich dabei eben nicht einfach um kulturelle Probleme handelt, sondern mindestens so sehr um Fragen der politischen Einstellung.
«Nous trois ou rien». Frankreich 2015. Regie: Kheiron. Mit Kheiron, Leila Bekhti, Gérard Darmon, Zabou Breitman, Alexandre Astier. Deutschschweizer Kinostart am 9. Juni 2016.
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