Geschichtsschreibung vor dem Gericht – Mick Jacksons «Denial»

Der Negationist David Irving verklagte die US-amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt und ihren Verleger Penguin. Regisseur Mick Jackson erzählt diese wahre Geschichte gekonnt nach.

Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) ist eine US-amerikanische Historikerin. In ihrem vielgelesenen Buch «Denying the Holocaust» geht sie hart ins Gericht mit dem bekannten britischen Negationisten David Irving (Timothy Spall). Dieser klagt prompt. Penguin und Lipstadt engagieren den Anwalt Anthony Julius und sein Team sowie Verteidiger Richard Rampton (Tom Wilkinson).

Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) mit ihrem britischen Team. (Bild: zVg)

Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) mit ihrem britischen Team. (Bild: zVg)

Fake News? Das sind überhaupt keine News für Negationisten der alten Schule wie David Irving. Nur nennen sie ihre besondere Art der Geschichtsschreibung nicht Fake News, sondern «echte Geschichte» («Real History»), also revidierte Geschichte. Es erscheint absurd, dass sich Deborah Lipstadt und Penguin in England vor Gericht verteidigen mussten gegen Irving. Eigentlich müsste es ja eher umgekehrt sein. Aber die Gesetzgebung in den USA unterscheidet sich eben von der in Grossbritannien.

Viele bemängeln, dass Weisz anders als Lipstadt gar nicht aus Queens stammt. Das stimmt sicher; ihr Akzent wirkt auch auf helvetische Ohren eher durchschnittlich US-amerikanisch. Aber es geht im Film letztlich wohl auch mehr um die Dichotomie zwischen UK und USA. So sagt Lipstadt im Film denn auch, sie würde sich vor dem britischen Richter nicht verbeugen, schliesslich sei sie ja US-Amerikanerin. Doch im Verlauf des Films wächst Lipstadts Vertrauen in die britische Justiz immer mehr, am Schluss ist sie sogar bereit, sich zu verbeugen. Der Graben zwischen dem Vereinigten Königreich und der ehemaligen Kolonie ist natürlich nicht der wichtigste: der wirkliche Graben ist der zwischen der jüdischen Historikerin Lipstadt, die auch afroamerikanische Freundinnen hat, und dem Rassisten Irving, bei dem POC (People of Colour) nur als Bedienstete arbeiten dürfen.

Interessant ist dabei aber, dass Lipstadt im Film die Statue von Boadicea betrachtet, die einen Aufstand gegen die Römer leitete. Ihren Vornamen Deborah übersetzt sie zudem nicht ganz korrekt als «Kriegerin». Auch ist es ja nicht sie, sondern ihr britisches Team, die am Schluss Irving bezwingt. Lipstadt wirkt im Film oft geradezu naiv; dies ist aber sicherlich gewollt. Die wirkliche Lipstadt war anders als die Filmfigur von Anfang an überzeugt von der Strategie ihres britischen Teams [1]. Der Film gewinnt aber so natürlich eine Spannung, die einer authentischeren Version abgehen würde. Schliesslich ist Mick Jackson der Regisseur von «Bodyguard»; David Hare der Drehbuchautor von «The Reader». «Denial» ist ein Film für ein breiteres Publikum – der Film negiert das an keiner Stelle. Und das ist gut so. Mainstream ist eben wie bereits an anderer Stelle erwähnt nichts Schlechtes: weder das Konventionelle eines Mainstreamfilms noch die (westlichen) Mainstream-Meinungen punkto Holocaust. Nur weil Irving und andere Rassisten gegen den Strom schwimmen, heisst das eben nicht, dass sie auch recht haben.

«Denial». UK/USA 2016. Regie: Mick Jackson. Mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Mark Gattis u.a. Deutschschweizer Kinostart am 4. Mai 2017.

[1] https://www.nzz.ch/feuilleton/aktuell/ein-treffen-mit-deborah-lipstadt-die-ohnmacht-und-die-macht-des-schweigens-ld.1287949


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