Die Kosmonautin in dir – Frank Matters «Parallel Lives»

Der Sissacher Regisseur Frank Matters legt einen spannenden Dokumentarfilm vor, in dem er sein eigenes Leben beleuchtet – und das von vier anderen Menschen, die wie er am 8. Juni 1964 geboren sind: zwei in den USA, einer in China, eine in Südafrika.

Der Sissacher bzw. Basler Filmemacher hat lange in den USA gelebt. Vorher hat er in jungen Jahren die Grossstadt Paris erlebt und die wilden 80er-Jahre in der Schweiz mitgestaltet und miterlebt. Er hat als Journalist gearbeitet, seine eigentliche Passion ist aber der Film.

In seinem neuen Dokumentarfilm «Parallel Lives» erzählt er auch seinem eigenen Leben und lässt vier andere Menschen, die wie er am 8. Juni 1964 das Licht der Welt erblickt haben, zu Wort kommen: den Franzosen Michel, der in L.A. lebt, die Amerikanerin Melissa, den Chinesen Pujian und last but not least die Südafrikanerin Zukiswa, die geschäftlich mit der Heimat Pujians zu tun hat.

Zukiswa Ramncwana ist eine der Protagonistinnen in Frank Matters neuem Dokumentarfilm. (Bild: zVg)

«Parallel Lives» ist ein inspirierender Dokumentarfilm, der mit über zwei Stunden etwas lang geraten ist – aus heutiger Perspektive ist es auch schade, dass die Pandemie nur noch am Schluss kurz zu Wort kommt.

Andererseits ist es aber natürlich auch klar, dass der Film dort zu Ende kommen muss, auch wenn Matter sicher einen anderen Schluss geplant hat; was er auch selber erwähnt. Matters Film ist einerseits ein sehr persönliches Dokument, durch die Bandbreite der erzählten Leben aber dann auch wieder sehr umfassend, global in seinem Anspruch.

Nicht zuletzt zeigt «Parallel Lives» auch, dass es so etwas wie ein uninteressantes Leben gar nicht gibt – diese «parallelen Leben», die gleichzeitig so verschieden sind, sind alle auf ihre Art interessant; auch wenn gewisse Kürzungen vielleicht doch von Vorteil gewesen wären.

Gegen den Schluss verliert der Film vielleicht auch etwas an Tempo und an künstlerischem Gestaltungswillen; vielleicht ist dies dann doch auch der Pandemie geschuldet…

Be that as it may: ein spannender Einblick in sechs ‹parallele› Leben, geprägt von Persönlichen wie auch vom Politischen … vor allem aber geht es hier wohl um die Wertschätzung des Lebens an sich; der Titel verweist auf Plutarch (der auch zitiert wird).

Während bei Plutarch aber das Leben von wichtigen Männern dargestellt wird, sind es hier Menschen wie du und ich, die im Zentrum stehen … vielleicht aber noch wichtiger: nicht nur Männer wie der Regisseur, Michel und Melissa Hensy.

In den letzten 50 Jahren hat sich vieles verändert, einiges nicht, einiges ist gleich geblieben, aber es wäre 2022 undenkbar, weibliche Perspektiven ganz auszuklammern. Auch in seinem letzten Film «Von heute auf morgen» waren Frauen prominente Protagonistinnen: vor allem erinnert man sich an die frankophone Dame in «Von heute auf morgen», die in Colmar (vielleicht zum letzten Mal) einen von ihr verehrten Südtiroler Schlagerstar sieht.

Auch in Matters neuem Film sind natürlich nicht nur die Männer von Interesse, sondern – immerhin! – auch zwei Frauen. Auch in diesem Film konzentrierte sich Matter ganz auf das alltägliche Leben, noch stärker als in seinem neuen Film. Diesmal sind es schliesslich auch Menschen aus seiner Generation, die im Zentrum stehen.

In seinem neuen Film fokussiert Matter dann vielleicht teilweise doch etwas stärker auf das Aussergewöhnliche. Ursprünglich wollte Matter gar eine Kosmonautin gewinnen für seinen aktuellen Film – doch das Interesse war auf russischer Seite nicht vorhanden.

Vielleicht tut diese Erdung dem Film aber auch gut, denn – nach zwei US-Spielfilmen – zeigen Matters Schweizer Dokumentarfilme doch ganz klar, dass diese Erdung ein wichtiger Teil seines Schaffens darstellt. Gleichzeitig zeigen Matters Dokumentarfilme, dass in uns allen eine Kosmonautin steckt …

«Parallel Lives». CH 2021. Regie: Frank Matter. Dokumentarfilm, mit Zukiswa Ramncwana, Michel Berandi, Melissa Hensy, Li Pujian u. a. Deutschschweizer Kinostart am 10. Februar 2022.


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