Nachwuchssportlerin zwischen den Kulturen – Elie Grappes «Olga»

Aus politischen Gründen muss die 15-jährige Sportlerin Olga die Ukraine verlassen. In der Schweiz, ihrer unbekannten zweiten Heimat, trainiert sie für die EM, während ihre Mutter immer noch den Gefahren ausgesetzt ist. Elie Grappes erster Spielfilm ist ein packendes Drama über eine junge Frau zwischen zwei Ländern, zwischen Politik und Sport …

Olgas Mutter hat Probleme mit der Regierung Janukowitsch. Sie entscheidet sich deshalb, ihre Tochter (Anastasia Budiashkina) in die Schweiz zu schicken, die Heimat ihres Vaters. Dort wird die talentierte Turnerin auf die Europameisterschaft vorbereitet. Da sie noch nicht so gut Französisch kann und auch keine andere Landessprache spricht, ist es für sie nicht einfach, sich zu integrieren. Zudem muss sie sich zwischen der Schweiz und der Ukraine entscheiden – während sich in der Ukraine die Lage zuspitzt …

Eine junge Sportlerin zwischen den Kulturen. (Bild: zVg)

Der Film des Schweizer Regisseurs Elie Grappe ist ein einfühlsames Porträt einer 15-jährigen Sportlerin, die zwischen Politik und Sport, zwischen den Unruhen in ihrer alten Heimat und den Spannungen in der Sportschule ihren Weg gehen muss. Sehr anschaulich zeigt Grappe auch, wie sehr Politik und Sport nur zusammen denkbar sind – zumindest im internationalen Rahmen.

An einer Stelle nennen sich singende Menschen in der Ukraine «Nachkommen der Kosaken»; es stellt sich die Frage: Ist Sport ohne Politik, ohne Nationalismus überhaupt denkbar? Schliesslich treten bei internationalen sportlichen Wettkämpfen eben meist Nationen gegeneinander an.

Im Film nennen die Menschen aus der Schweiz Olgas Sprache immer «Russisch», aber eigentlich spricht sie Ukrainisch. Darauf deutet auch die Aussprache ihres Namens, in dem das etymologische g zu einem h-artigen Laut wird. Während in der Ukraine aber alle auch Russisch verstehen, hat die Schweiz keine gemeinsame Sprache, auch wenn alle in der Schule Deutsch, Französisch und neuerdings natürlich auch Englisch lernen müssen.

In Elie Grappes Film ist auch Italienisch zu hören; Olga spricht von den Landessprachen erst Französisch und auch noch mehr schlecht als recht. Insofern ist Grappes Film auch ein Film über diese Unterschiede zwischen auch sonst sehr ungleichen Ländern; ein Film über das Leben in einem Land, in dem die Sprachgemeinschaften zwar mehr schlecht als recht, aber eben auch ohne grössere Konflikte zusammenleben.

Der Kontrast zur Ukraine könnte nicht grösser sein. Aber anders als in der Ukraine ist in der Schweiz eben immer klar, dass es eigentlich mehrere Kulturen, mehrere Sprachen sind, die koexistieren müssen. Nicht die «Nachkommen der Kosaken», auch nicht die «Nachkommen der Helvetier» leben hier. Sondern vier Kulturen mit verschiedenen Wurzeln, viele Dialekte und Sprachen und Konfessionen sowie natürlich die Sprachen und Kulturen der Migrantinnen.

Gerade dies macht die Integration für Neuankömmlinge aber eben auch nicht einfacher – auch das zeigt Elie Grappes Film. Ein vielschichtiges Werk.

«Olga». CH/Frankreich/Ukraine 2021. Regie: Elie Grappe. Mit Anastasia Budiashkina, Sabrina Rubtsova, Caterina Barloggio, Thea Brogli, Tanya Mikhina, Jérôme Martin, Alicia Onomor, Lou Steffen, Alexandr Mavrits u. a. Deutschschweizer Kinostart am 24. Februar 2022.


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