gesichtet #46: Ein Musiklabor auf Rädern

Von Michel Schultheiss

Ein alter Bauwagen mit einem kleinen Ofen genügt. Jede Woche wird darin gejammt, was das Zeug hält. Es ist vermutlich der engste, doch gleichzeitig auch zugänglichste Bandraum Basels. Die «Soundbox» auf der Basler Klybeckinsel lädt jede Woche zum gemeinsamen Improvisieren ein. Da trifft der von Frank Zappa begeisterte Schlagzeuger auf einen Metal-Gitarristen und einen brasilianischen Rapper oder auf einen Chansonnier mit Akkordeon. Bisweilen geht der Jam in Richtung Reggae, Fusion, Funk oder Rock. Spontan entsteht da mal grooviger Synthie-Sound, herbe Gitarrenkracher oder experimentelle Ausflüge in den Psychedelic Rock. Welches Etikett man dem Klangteppich auch immer verpassen will: Die dort gespielte Musik erfindet sich jede Woche neu – je nach dem, wer mitmacht.

Soundbox9

Die Musikdose gewährt Live-Sound und zieht daher auch so manche Zuhörerinnen und Zuhörer an.

Die Tatsache, dass am Montag bis spät abends – und zu dem noch beinahe unter freiem Himmel – verstärkt musiziert wird, mag in Basel ungewöhnlich anmuten. Stören kann sich jedoch niemand daran: Die direkten Nachbarn sind Güterzüge, Rheinschiffe sowie mehrere Fabriken, deren monotones Surren wohl ein mancher durch die Soundbox eintauschen lassen würde. Der Wagen-Jam ist Teil des Projekts «Frame» – eine von mehreren Zwischennutzungen auf der ehemaligen Esso-Parzelle. Dem brachliegenden Areal in der Hafengegend, auf dem nach Vorstellungen von Stadtplanern dereinst ein umstrittener neuer Stadtteil entstehen soll, wurde inzwischen Leben eingehaucht, so etwa bei der Skate-Anlage «Portland», der Marina-Bar oder eben bei Frame: Mehr und mehr nimmt diese kleine Siedlung Gestalt an. Nebst dem Wagen sind mehrere Seecontainer aufgestellt, die sich allmählich in Tonstudios für Sample-Basteleien und Ateliers verwandeln und auch der überdachte Platz in der Mitte soll zum Verweilen einladen. Es handelt sich dabei um ein «offen gestaltetes Raumkollektiv», wie einer der Gestalter das Projekt beschreibt. Im Sommer 2012 wurden die Schiffscontainer verladen und von einem der Initianten eigenhändig in zwei Tagen zerlegt, um mehrere Räumlichkeiten zu schaffen. Anfangs 2013 wurde zudem der Bauwagen, welcher mit Schlagzeug, Verstärkern und einem Roland-Keyboard ausgestattet ist, in Betrieb genommen.

Die Leute hinter dem neuen Projekt wollen sich nicht als Einzelpersonen diese Leistungen auf die Fahne schreiben, denn dies würde die Idee dahinter untergraben. Vielmehr gehe es darum, gemeinsam etwas zu gestalten und dass auch immer wieder neue Leute mit ihren Inputs dazustossen können. Daher ist auch jeder willkommen, egal ob mit oder ohne Musikinstrument. Bis anhin hat es auch geklappt: Ego-Musiker, die selbstverliebt alle anderen übertönen möchten und an vielen Jam-Sessions zu einem Problem werden können, sind dort bisher noch nicht aufgetaucht. Die Sessions knüpfen an diejenigen des «Dub Circus», die einst im Quartierlabor auf dem nt-Areal durchgeführt wurden. Punkto Soundbox stehen bereits weitere Visionen im Raum: Der Wagen soll dereinst mit Solarzellen ausgestattet werden – dies schwebt einem der Frame-Leute vor. Damit soll auch mal weit weg vom Schuss mit Verstärkern gejammt werden können – sozusagen in einem mobilen Bandraum.


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