Im Gehirn eines Killers – Lynne Ramsays «You Were Never Really Here»

Die schottische Regisseurin überrascht auch nach «We Need to Talk About Kevin» mit einem verblüffenden Film mit langem Titel und Joaquin Phoenix in einer Paraderolle als Travis Bickle des neuen Millenniums. Ein packender Thriller, der es in sich hat und noch lange nachwirkt.

Joe (Joaquin Phoenix) ist zwar nicht mehr jung, trotzdem lebt der Auftragskiller noch zu Hause bei seiner betagten Mutter. Soeben ist er von einem Job zurückgekommen; da findet er seine Mutter schlafend vor dem Fernseher – ausgerechnet Alfred Hitchcocks «Psycho» läuft. Aber schläft sie wirklich? Noch ahnt Joe aber nicht, dass sein nächster Auftrag nicht nur ihn, sondern auch seine Mutter in grosse Gefahr bringen wird…

Lynne Ramsay hat schon mit «We Need to Talk About Kevin» überzeugt und überrascht. Eine grosse Rolle für die Britin Tilda Swinton – diesmal ist der Amerikaner Joaquin Phoenix an der Reihe. Aber nicht nur er, sondern auch der Film als Ganzes können auf der ganzen Linie überzeugen – und noch mehr. Die atmosphärische Musik von Jonny Greenwood spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Komponist hat dabei eine grosse Bandbreite im Repertoire, der Film beginnt und endet mit elektronischen Beats; diese umrahmen den Film und lassen das Ende vielleicht auch in einem anderen Licht erscheinen. Auch die Songs wurden natürlich sorgfältig ausgewählt, u.a. «Angel Baby» von Rosie & the Originals, ein lieblicher Pop-Song, der gleich mehrere Male zu hören ist und hier wohl verhüllend die Schrecken des sexuellen Missbrauchs andeutet. In Deutschland und Frankreich wurde der Originaltitel übrigens durch «A Beautiful Day» ersetzt – das erinnert an «Good Time» von Josh und Benny Safdie , wo der Titel ja ebenfalls verhüllend auf Abgründe hinweist. «You Were Never Really Here» basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jonathan Ames. Lynne Ramsays Drehbuch wurde in Cannes ausgezeichnet – zu Recht!

Ein Cambridge-Analytica-Mitarbeiter beim Versenken von Festplatten. (Bild: zVg)

 «You were never really here». UK/Frankreich/USA 2017. Regie: Lynne Ramsay. Mit Joaquin Phoenix, Ekaterina Samsonov, Judith Roberts, John Doman, Alex Manette u.a. Deutschschweizer Kinostart am 26. April 2018.


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