Das Herzstück vom Barfi
Von Laura Antonietti
Die blauen Telefonkabinen am Barfüsserplatz sind seit knapp 40 Jahren als Dreh- und Angelpunkt Bestandteil im Leben von Baslerinnen und Baslern. Der Bundesentscheid, sämtliche Publifone zu entfernen, versetzt viele in eine nostalgische Trauer. Gewisse Gefühlswelten werden dabei so sehr aufgewühlt, dass gegen die Entfernung des inoffiziellen Barfi-Wahrzeichens angegangen wird. Wer dafür kämpft und wie die momentane Situation aussieht, zeigt Laura Antonietti in ihrem Beitrag.
«Machemer am 4i bim Barfi?»
So lautet die WhatsApp-Nachricht, welche ich mit dem Thumbs-Up-Emoji bestätige. Ohne weitere Fragen stelle ich mich um vier Uhr vor die blauen Telefonkabinen, welche im Herzen des beliebten Barfüsserplatzes hervorragen, und warte auf meine Verabredung. Während ich da stehe und erwartungsvoll die Gesichter der Passanten scanne, kommt mir ein plötzlicher Gedanke: Seit nun 15 Jahren treffe ich mich mit ebendieser Freundin an der immer gleichen Stelle. Ich frage mich, wie sich dieser Treffpunkt damals in unserer Freundschaft etabliert hat. Eine melancholische Traurigkeit drückt meine Stimmung, wenn ich daran denken muss, dass dieses Wahrzeichen bald entfernt wird. Aus meinen Gedanken entrissen begrüsst mich freudig meine Verabredung. Auf der Suche nach einem gemütlichen Sitzplatz schlendern wir über den Barfi. Als wir uns hinsetzen, teile ich ihr meine Gedanken bezüglich der ikonischen «Delifonkabine» mit. «Jo, so schaad, dass si die Delifonkabine wänd abrisse! Scho s Mami und de Babbe händ sich ämme uf es Date dörd troffe. Und weisch no früener, wo mr…?»
Ob als Treffpunkt, als Ort für erste Gespräche oder als Versteck «zum ummeschmuuse», diese Telefonkabinen spielten wohl im Leben einer jeden Baslerin und eines jeden Baslers eine Rolle. Mit viel Freude und vielleicht auch dem einen oder anderen Schmerz erinnern wir uns an die vielen Nachmittage und Abende, an denen wir vor diesen Telefonkabinen auf eine/n Freund/in, ein Blind Date oder eine/n Ex warteten und vielleicht auch mal da standen wie bestellt und nicht abgeholt.
Emotionaler Wert der Vergangenheit
Dass sämtliche Publifone von der Swisscom nun peu à peu in ihren Ruhestand befördert werden, das steht seit dem diesjährigen Entscheid des Bundesrates fest. Bei den meisten Apparaten interessiert das nun auch niemanden, da wir seit unseren erweiterten Händen – den Smartphones – keine Publifone mehr benötigen. Allein von 2004 bis 2016 ist die Anzahl Gespräche um 95% gesunken. Die meisten Publifone werden abgerissen und zerstört, doch einige werden umgenutzt und als Büchertauschbörse, Ort zum Aufbewahren von Defibrillatoren, Kunstinstallationen und in Deutschland sogar als Ladestation für Elektrowagen gebraucht.
Ein Abriss der Barfüsser Telefonkabinen wäre zweifellos ein sehr emotionaler Abschied. Der emotionale Wert ist dem Nutzen dieses Apparats jedoch hoch überlegen. Nun stellt sich aber die Frage, ob dieser Wert gross genug ist, um den entsprechenden Effort für eine Übernahme zu erbringen. Der Gedanke daran, dass wir unsere geliebte Delifonkabine weiter als Dreh- und Angelpunkt für Verabredungen nutzen dürfen, stimmt mich glücklich. Doch wer wird die Zügel in die Hand nehmen und den Helden der Stunde spielen?
Laut Swisscom können die Kabinen vom Vermieter, im Fall Basel also dem Kanton, aber auch von Dritten, mit allen Rechten und Pflichten übernommen werden. Bislang hat nur das Historische Museum Interesse an einer Übernahme gezeigt. Laut Patrick Moser, dem Kurator für Zeitgeschichte des Historischen Museums Basel, hat das HMB die feste Absicht, die Barfi-Telefonkabinen zu übernehmen. Momentan würden die finanzielle und personelle Machbarkeit der Übernahme sowie mögliche Nutzkonzepte für die Kabinen geprüft werden. Im Frühling kommenden Jahres werden wohl konkretere Pläne stehen.
Fürs Erste heisst es also Aufatmen für die trauernden «Delifonkabine»-Liebhaber und -Liebhaberinnen. Und wer weiss, vielleicht werden wir nach einer Umnutzung mehr mit unseren blauen Giganten machen können, als nur davor zu warten.
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