gesichtet #39: Die Ecke der Computer-Nostalgiker
Von Michel Schultheiss
Die bläulich schimmernden Schachteln ergänzen sich prima mit den zerfallenden Zimmerpflanzen. Das Windows 98-Handbuch gibt womöglich einen Hinweis darauf, wann die Schaufensterauslagen zuletzt gewechselt wurden. Die sichtlich verblichenen Farben geben verleihen dem Schaufenster somit einen Hauch von Software-Museologie. Nach all den hier beschriebenen bemerkenswerten Geschäften an der Feldbergstrasse, vom toten «Kaffi zem Waijebläch», dem makabren Tattoo-Shop und den entstellten Hochzeitskleider-Mannequins musste ja früher oder später auch eine Hommage an diesen Betrieb kommen. Zusammen mit dem Geschäft «Sparflüge weltweit» hat der Laden wahrscheinlich die originellsten Schaufensterauslagen der Stadt.

Fern von jeglichem Marketing-Druck bleibt der Laden bei seinen einzigartigen Schaufensterauslagen (Foto: smi).
Das Geschäft an exponierter Lage an der Ecke Klybeck- und Feldbergstrasse bleibt ein kleines Stadträtsel. Immer wieder sorgt es für Gesprächsstoff. Was darüber gesagt oder geschrieben wird, spielt für die Geschäftsführerin jedoch keine grosse Rolle: Das Geschäft sei nicht in erster Linie auf den Laden an sich, sondern auf den Hausservice spezialisiert, wie sie erklärt. Die kürzlich noch weiter reduzierten Präsenzzeiten sind auch ein Zeichen davon, dass sich das Geschäft mehr auf Support und Bestellungen als auf den Verkauf vor Ort konzentriert. «Druckerpatronen sind überall erhältlich – kompetente Beratung jedoch nicht», findet die Geschäftsführerin. Zudem verweist sie auf eine treue Stammkundschaft, welche dem Laden die Stange hält und dessen verborgene Qualitäten zu schätzen weiss.
Sofern diese Aussagen zutreffen, ist der erste Eindruck von einem toten Laden in der Tat zu überdenken. Was demnach zählt, ist nicht die Verpackung, sondern den Inhalt. Wahrscheinlich wäre das Aushängeschild des Ladens (das ihn gerade dadurch in der Masse der IT-Geschäfte unverkennbar macht) einem jeden Marketing-Guru ein Grauen. Handkehrum ist es umso bemerkenswerter, dass ein Laden, der in einer Branche tätig ist, in welcher der eine Innovationsschub den anderen jagt, sich auf eigene Faust mit Altbewährtem durchschlägt. Wäre der Software-Laden ein Mensch, so würde er bestimmt als jemand, der sich kaum irgendwelchen Modetrends oder Gruppenzwängen beugt, mit Kleidern aus der Wühlkiste durch die Welt ziehen. Insofern haben die besagten Schaufenster im Grunde genommen etwas von der jetzigen Entwicklung der Feldbergstrasse vorweggenommen: In direkter Nachbarschaft zu hippen Bars und Retro-Läden müsste eigentlich die nostalgisch-vergilbte Ausrichtung des Ladens ganz gut ankommen.

