«Die wertlose Bibliothek» – Prolog von Elias Fauser
Elias Fauser stellt sein auf «Zeitnah» erscheinendes Literatur-Projekt «Die wertlose Bibliothek» vor.
«Ich erinnere mich nicht – ich erzähle» – Terézia Mora
Wenn Foucault sagt, dass sich unsere Zeit als «Zeitalter des Raumes» begreifen lässt, als «Aneinanderreihen des Nahen und Fernen, des Nebeneinanders und des Zerstreuten», dann hat er nur partiell recht. Räume verschieben und überlagern sich, dissolvieren im Sinne digitaler Gesellschaftsmobilität. Und doch gibt es ein drinnen und ein draussen, ein Dasein und eine Abwesenheit, ein Suchen und ein Finden.
Ich baue eine Bibliothek. Sie ist unauffindbar, niemand wird erfahren, wo sie ist. Nein, sie ist nicht digital. Keine Sorge, es lohnt sich nicht, nach ihr zu suchen, denn sie ist wertlos. Sie besteht aus Büchern, die im üblichen Flohmarkthandel keine zwei Euro einbringen. Lieblos aneinandergereiht. Nein, ich halte keine Ordnung. Es ist mir egal, ob Sartres «Ekel» neben Krachts «Faserland» steht und ob der schlecht sortierte Stapel von «Lettre international» neben einem meterhohen Papierkorb aufgereiht ist. Es ist alles Wegwerfware.
Ihr denkt, ich sei lakonisch? Weit entfernt. Ich baue eine Bibliothek, denn sie umschliesst alle meine Gedanken. Sie kreiert einen Raum der Programmatik und des gedanklichen Austausches. Sie stillt jede intellektuelle Begierde und ist alles zugleich: Kulturgeschichte, Literaturfundus, Wissenschaftstheorie und pure gotterbärmliche fiction.
Ich baue eine Bibliothek, die dem kritisch-materialistischen Denken verbunden ist. Sie bedeutet Anwesenheit von Büchern, blättern in vergilbten Seiten, Geruch von vermoderten Buchrücken. Ihr Fundament ist das Denken, und ihre Standfestigkeit erhält sie durch schräge, abgeschmirgelte Bücherregale in verschiedenen Holztönen.
Nein, «Die wertlose Bibliothek» ist nicht schön. Sie wendet sich von jedem Prunk ab. Sie besitzt keine eleganten Schuber und stolz-konformen Goldeinbände. Denn: sie ist bescheiden und radikal, versteckt und omnipräsent. Sie steht für die Überdauerung der Zeit, und aus ihren Büchern erzählt sie Geschichten.
Elias Fauser ist Autor und betreibt den Blog www.offjournal.de.
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