gesichtet #104: Im Rachen der Breite

Von Michel Schultheiss

Es ist eine etwas unheimliche Gegend: Dem Fussgänger wird schnell klar gemacht, dass er hier schnell zu verschwinden hat – schlieslich wurde die ganze «Kulisse» auch nicht für ihn gebaut. Die mächtige Autobahnlinie prescht hier durch das Quartier. Wo die Zürcherstrasse unter den Brücken verschwindet, wird’s gleich doppelt finster und es fragt, sowohl auf der Strasse wie auch gleich darunter in der Unterführung. Die Gegend unter der Schwarzwaldbrücke, welche der Krimiautor Philipp Probst schon als die deprimierendste Gegend Basels bezeichnet hat, findet ihr Pendant auf der anderen Seite des Rheins: Die Achse der A2 und A3 hat auch in der Breite eine Schneise geschlagen.

Baldeggerstrasse

Ein Versuch, etwas Farbe in die graue Gegend zu bringen: Die Fassaden an dieser lieblosen Strecke sind in die Jahre gekommen (Foto: smi).

Es ist daher kein Wunder, dass die Stadt die betonbeherrschte Gegend etwas aufzupolieren versucht: Im Achtzigerjahrstil kommen die farbigen, mittlerweile etwas schmuddeligen Wände an der Baldeggerstrasse daher – ein weiterer bescheidener Versuch, der Gegend etwas anderes als Grautöne zu verpassen. Mit dem Wandbild «Tao» von Jean Zuber gleich gegenüber hat der Kunstkredit Basel wohl beabsichtigt, der Strasse noch einen hellblauen Farbtupfer zu schenken. Es ist übrigens nicht das einzige Projekt dieser Art in der Gegend: Weiter vorne, Richtung Gellert, ist’s die Skulptur «Einrollen Ausrollen» von Ludwig Stocker, welche die «autobahnlastige» Gegend aufwerten soll.

Autobahn und Kunstwerk von Jean Zuber

«Tao» von Jean Zuber kommt hinter den mächtigen Pfeilern zum Vorschein (Foto: smi).

Auch in der Unterführung selbst gibt’s Künstlerisches zu sehen: Das Mosaik «Stadt wach auf» von Hans Weidmann, ein Geschenk der Basler Versicherungsgesellschaft an die Stadt. Mit Eule, Hahn, Tambour und Pegasus sorgen in der in der Unterführung dafür, dass diese nicht ganz so grau bleibt wie der eher trostlose Rest des Schlundes.

Hans Weidmann Stadt wach auf

In der Unterführung zu sehen: «Stadt wach auf» von Hans Weidmann (Foto: smi).

In diesem Betonrachen, welcher die Fussgänger zu verschlingen scheint, haben sich aber auch ungeplante Farbtupfer eingenistet: Eines der über die ganze Stadt verbreiteten Eulen-Graffiti und eine vollständig eingefärbte Baracke, die hier unerwartet auftaucht, sind hier etwa zu sichten. Die Häufigkeit von FCB-Klebern legt nahe, dass das Joggeli nicht weit sein kann. Es ist schliesslich eine der Hauptachsen Fans – ihr Weg vom «Saal 12» zum Stadion führt hier durch.

Graffiti Eule

Eine weitere Eule, hier hinter Gittern – ein Graffito, das in ganz Basel zu sehen (Foto: smi).

Anfänglich waren es natürliche Grenzen, sprich der Rhein, die Birs und der St. Alban-Teich, welche die Breite umrissen. Wie die Publikation «Breite-Lehenmatt» (2011) von Bernhard Degen und Pascal Maeder zu lesen ist, erlebte das Quartier nach 1890 sein Wachstum mit Arbeitersiedlungen. Die Autonbahnlinie brachte dann in den Siebzigerjahren einen bedeutenden Einschnitt: Wie kaum eine bauliche Neuerung war es die Osttangente, welche die Gestalt der Breite und Lehenmatt veränderte.

Unterführung Breite_Kleber

In der Gegend unter den Pfeilern hat’s Kleber und Tags – doch nicht so viele, wie man von der Lokalität her annehmen könnte (Foto: smi)

Bei der Anbindung Basels ans deutsche Autobahnnetz wurden damals zwei Varianten erörtert – schliesslich bewilligt die Regierung 1968 die Achse innerhalb der Stadt. Ein weiterer Meilenstein in der Erschliessung für den Transitverkehr war die Einweihung der Schwarzwaldbrücke 1973. Die Route entlastete zwar die Quartierstrassen, der fortan in der Höhe vorbeidonnernde Verkehr sorgte aber für Ärger unter den «Breitlemer»: 1977 wurde ein Komitee für eine wohnliche Breite gegründet, welches Lärmschutz und einen Stopp von weiteren Autobahnen forderte. Der Koloss steht in der Breite, doch die Debatte um den Transitverkehr ist noch längst nicht beendet: Auch die aktuellen Ausbaupläne der Osttangente stossen auch seit mehreren Jahren auf Widerstand.

Breite Baracke

Wird bisweilen als Toilette verwendet. Was aber wohl die eigentliche Bestimmung dieser Baracke ist? (Foto: smi).

Wie sich die Sache auch entwickeln wird: Die Autobahn hat dieser Gegend jedenfalls den Stempel aufgedrückt. Manche bezeichnen das Projekt als städteplanerische Sünde, welche das Quartier fragmentiert hat. Auch wenn wir vereinzelt auf Kunstobjekte und Graffiti stossen: Versuche, etwas mit der unwirtlichen Gegend unter der Autobahn und in der Unterführung etwas anzufangen, sind eher spärlich – schliesslich ist der Rachen bei der Schwarzwaldbrücke immer noch eine relativ wenig beachtete Gegend der Stadt.

Breite und Rocheturm

Alte Bausünde trifft auf neues Riesenprojekt: Die Schwarzwaldbrücke mit dem Roche-Turm; rechts geht’s runter zur Unterführung (Foto: smi)

 

Unterführung Breite_Tramschild

Spuren zeugen davon, dass sich tatsächlich Menschen in diese «Höhle» gewagt haben (Foto: smi)

 


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