Marie im Wunderland – Doris Dörries «Grüsse aus Fukushima»

Doris Dörrie kehrt ein weiteres Mal nach Japan zurück und legt eine filmische Meditation in Schwarzweiss über das Leben nach der Katastrophe vor.

 

Marie (Rosalie Thomass) aus Deutschland ist Clown. In Japan will sie zusammen mit anderen Clowns die von Fukushima traumatisierten Menschen aufheitern. Doch nur gerade der Kollege Moshe (Moshe Cohen) und eine Übersetzerin erwarten sie im Land der aufgehenden Sonne. Und bald schon nagen Zweifel am Sinn ihres Tuns an Marie… ist sie einfach auf der Flucht vor sich selbst? Da hilft sie einer älteren Dame (Kaori Momoi), ihr altes Haus wieder bewohnbar zu machen. Das gestaltet sich nicht ganz einfach, da diese nicht gerade anspruchslos ist…

Hello Kitty: Die deutsche Clownfrau Marie findet in Japan wohl nicht zuletzt sich selbst. (Bild: zVg)

Hello Kitty: Die deutsche Clownfrau Marie findet in Japan wohl nicht zuletzt sich selbst. (Bild: zVg)

Doris Dörrie war schon zuvor in Japan («Kirschblüten», 2008 und «Erleuchtung garantiert», 2000), und wie Kollegin Ulrike Ottinger fasziniert sie das Land eindeutig. Ihren neuen Film hat sie gleich ganz in Japan gefilmt und oft wirkt der Film geradezu dokumentarisch. Einige Szenen sind denn wohl auch semidokumentarisch, und am Schluss ist eine zweifellos reale Anti-Atom-Demonstration zu sehen. Der Konflikt zwischen westlich-ungezwungener Lebensart und dem streng regulierten traditionellen japanischen Leben wird hier thematisiert.

Das Thema Atomkraft steht hier nicht wirklich im Vordergrund. Insofern ist der Titel etwas irreführend oder weckt zumindest im Moment wohl falsche Vorstellungen. Aber vielleicht will Doris Dörrie, von der auch das Drehbuch stammt, genau das sagen: das Leben geht auch so weiter. Und wenn Marie und Satomi, die ehemalige Geisha, deren Tochter besuchen, dann wird auch deutlich, dass hüben wie drüben zwischen den Generationen eben nicht immer alles zum Besten steht. Insofern spiegelt sich im Konflikt zwischen der älteren Dame und der Clownfrau Marie auch der Konflikt zwischen Satomi und ihrer Tochter Nami, die tatsächlich wie Marie «performing artist» ist – vielleicht auch wie ihre Mutter, die ehemalige Geisha. Nur haben Marie und Nami eben modernere Formen des künstlerischen Ausdrucks gewählt; Formen, die nicht mehr nur als strengen Dienst am Kunden definiert werden müssen. Ein sehenswerter Film in herrlichem Schwarzweiss!

«Grüsse aus Fukushima». Deutschland 2016. Regie: Doris Dörrie. Mit Moshe Cohen, Rosalie Thomass, Kaori Momoi, Nami Kawai u.a.  Deutschschweizer Kinostart am 24. März 2016.


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