Ehre und Ruhm, Jugend und Alter – Olivier Assayas‘ «Sils Maria»

Juliette Binoche spielt eine Schauspielerin – wie schon in Abel Ferraras «Mary». Diesmal aber nicht in Israel und den USA, sondern in der Schweiz und England. Olivier Assayas neuer Film ist ein vielschichtiges Werk.

 http://youtu.be/Yt0LWtAlqhQ

Maria Enders (Juliette Binoche) soll nach vielen Jahren wieder in einem Theaterstück mitspielen – doch diesmal nicht in der Rolle der jungen Assistentin Sigrid, sondern der der älteren Schauspielerin Helena. Zusammen mit ihrer Assistentin Valentine (Kristen Stewart) probt sie den Text – der ihr aber immer wieder zu nahe geht, da er sie zu sehr an ihre eigene Situation als nicht mehr blutjunge Actrice erinnert…

Olivier Assayas ist sicher kein einfacher Regisseur: er fordert doch einiges vom Publikum; z.B. auch in seinem Film (bzw. der Miniserie) über den Terroristen Carlos. Auch sein neuer Film «Sils Maria» – Originaltitel «Clouds of Sils Maria» – ist sicherlich kein Film für ein breiteres, vor allem auf Unterhaltung bedachtes Publikum. Interessanterweise ist gerade der (vermeintliche?) Graben zwischen U- und E-Kultur eines der Themen, das Assayas – von dem auch das Drehbuch stammt – in seinem aktuellen Film behandelt. Ein Thema, das ihn auch schon in anderen Filmen beschäftigt hat, etwa in «Boarding Gate» oder «Irma Vep». Juliette Binoche schliesslich spielte bereits in Abel Ferraras «Mary» eine Schauspielerin, die Mühe hat, ihre Rolle von ihrem eigenen Leben zu trennen. Eine schwierige Aufgabe wohl für die meisten Menschen, die schauspielerisch tätig sind. Interessanterweise und passenderweise kann diese Maria Enders aber dem Genrefilm, der weiter weg ist vom Alltag, nur wenig abgewinnen. Ihre junge Assistentin findet aber auch oder gerade im kommerziellen Kino berührende Elemente und lässt sich nicht von genretypischen Konventionen blenden. Gleichzeitig ist es aber beim Genrekino meist einfacher, sich zu distanzieren, sowohl als Zuschauer wie auch (vermutlich) als Schauspielerin. Doch gerade diese Distanz schätzt Maria eben nicht.

Maria Enders (Juliette Binoche) und ihre Assistentin Valentine (Kristen Stewart). (Bild: zVg)

Maria Enders (Juliette Binoche) und ihre Assistentin Valentine (Kristen Stewart). (Bild: zVg)

Und die Schweiz? «Clouds of Sils Maria» ist eine französisch-schweizerisch-deutsche Koproduktion, gedreht wurde in der Schweiz, aber auch in Berlin und im Südtirol. Die «Clouds» nehmen Bezug auf die «Schlange von Maloja»; «Maloja Snake» ist auch der Name des fiktiven Stücks, das im Film vorkommt. Gilles Tschudi ist zwar kurz zu sehen, aber es handelt sich eher um einen Cameo. Zitiert wird ebenfalls nicht das Schweizer Filmschaffen, sondern Arnold Fancks Film über die Schlange von Maloja («Das Wolkenphänomen von Maloja», 1924).

Aber tut es wirklich etwas zur Sache, wenn sogar ein so deutschschweizerisch klingender Urs eigentlich ein Deutscher ist? Aus der Sicht von Olivier Assayas sicherlich nicht, und um (wie auch immer geartete) kulturelle Gegensätze (bzw. Unterschiede) geht es hier ja nicht. Wir erfahren z.B. auch nie, ob diese Maria Enders Deutsche oder Schweizerin sein soll. Juliette Binoches Akzent verweist jedenfalls doch eher auf andere, nicht deutschsprachige Wurzeln. Die «Maloja Snake» ist eine wohl fantastische, aber doch auch beunruhigende Präsenz – diese geisterhaften Wolken, die wohl für die Turbulenzen nicht zuletzt in Marias Psyche stehen…

«Clouds of Sils Maria». Frankreich/Schweiz/Deutschland 2014. Regie: Olivier Assayas.  Mit Juliette Binoche, Chloë Grace Moretz, Kristen Stewart, Lars Eidinger, Johnny Flynn, Hanns Zischler u.a. Deutschschweizer Kinostart: 18.12.2014.


%d Bloggern gefällt das: